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Heillose Zustände: Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht (German Edition)

Heillose Zustände: Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht (German Edition)

Titel: Heillose Zustände: Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bartens
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die für Senioren ungeeignet sind. [118]  
    Etliche Medikamente helfen Erwachsenen im mittleren Alter, aber Menschen jenseits der 65 tun sie nicht gut. Häufig ist schlicht nicht erforscht, wie verschiedene Arzneimittel mit- und gegeneinander wirken, wenn sie kombiniert werden müssen. Denn alte Menschen haben eine eingeschränkte Nieren- und Leberfunktion und bauen die Pharmaka schlechter ab. Sammelt sich der Stoff im Körper, verstärken sich die Nebenwirkungen. Zudem sind Senioren anfälliger für Stoffe, die Verwirrung, Desorientierung und Schwindel auslösen. Dadurch steigt die Sturzgefahr mit der Gefahr eines Oberschenkelhalsbruchs, der viele alte Menschen wochenlang ans Bett fesselt und womöglich das Ende ihrer Mobilität bedeutet.
    Erst seit wenigen Jahren haben sich Mediziner und Pharmakologen des Problems angenommen und die Priscus-Liste erstellt, die 2010 im »Deutschen Ärzteblatt« publiziert wurde. Priscus ist der lateinische Begriff für »alt« und »ehrwürdig«. In der Liste sind 83 Arzneistoffe aufgeführt, die als unangemessen für ältere Patienten bewertet werden. 2012 haben Sozialmediziner der Universität Bremen die Daten von mehr als 800000 Patienten aus dem Jahr 2007 analysiert. Die Kranken waren älter als 65 Jahre, und trotzdem wurde 25 Prozent von ihnen mindestens einmal jährlich ein Medikament verordnet, das dieser Altersgruppe nicht guttut. 8,8 Prozent der älteren Patienten erhielten sogar mindestens viermal pro Jahr potentiell schädliche Mittel verschrieben.
    Ältere Frauen erhielten häufiger unpassende Medikamente als Männer. Besonders aus der Arzneigruppe der Schlaf- und Beruhigungsmittel, der Neuroleptika und der Medikamente gegen Herzschwäche wurden ungeeignete Pharmaka verordnet. So kann das oft Senioren verordnete Antidepressivum Amitriptylin bei diesen Patienten leicht zu Kreislaufschwäche und Herzrhythmusstörungen führen. Das ebenfalls häufig verschriebene Acetyldigoxin, ein Mittel gegen Rhythmusstörungen, wirkt im Alter toxischer. Die Beruhigungsmittel Tetrazepam und Oxazepam erhöhen die Sturzgefahr, verzögern die Reaktionsgeschwindigkeit und führen zu Verwirrung.
    Dabei gibt es Abhilfe. Die Priscus-Liste führt für jedes der fragwürdigen Mittel alternative Behandlungen auf. Und wenn ein nicht so geeignetes Mittel trotzdem gegeben wird, informiert sie über hilfreiche Begleitmittel oder darüber, welche Laborkontrollen wichtig sind. »Unsere Priscus-Medikamentenempfehlungen sind als Hilfestellung und zur Unterstützung von Ärzten und Apothekern gedacht«, sagt Petra Thürmann, Klinische Pharmakologin am Klinikum Wuppertal. »Auch wenn die Liste nicht vollständig ist und eine auf den einzelnen Patienten bezogene Nutzen-Risiko-Abwägung nicht ersetzt, wollen wir damit auf die besonderen Probleme in der Arzneimitteltherapie älterer Menschen aufmerksam machen.«
    Gerade ältere Menschen kapitulieren oft vor zu komplexen Behandlungen. Jeder dritte Patient nimmt seine Medikamente nicht, ältere Menschen sind besonders skeptisch. Etwa ein Drittel der in Deutschland verschriebenen Medikamente werden nicht geschluckt. Manchen Studien zufolge erreichen sogar mehr als 40 Prozent der Arzneimittel nie ihr Ziel. Sie landen im Müll oder in der Toilette statt im Magen der Patienten.
    In einer Untersuchung gab die Mehrzahl von 464 älteren Menschen an, sieben Medikamente zu sechs verschiedenen Zeiten zu nehmen. [119]   Aus Angst vor Wechselwirkungen der Mittel machten es sich die Teilnehmer unnötig schwer. »Man muss Patienten sagen, welche Mittel sie zusammen nehmen können«, sagt Studienleiter Michael Wolf. »Dann halten sie sich genauer an die Verordnung.« Etliche Patienten nahmen die Medikamente zu verschiedenen Zeiten ein, wenn die Hinweise zwar identisch waren, ein Mittel jedoch mit Flüssigkeit zum Essen genommen werden sollte.
    Auch die Angst vor Nebenwirkungen nimmt im Alter offenbar zu. In einer Studie mit Senioren gab die Mehrzahl an, vorbeugende Herz-Kreislauf-Mittel nicht nehmen zu wollen, weil sie mit Nebenwirkungen einhergingen. [120]   »Ärzte müssen den Nutzen einer Medikation stärker betonen und die Argumente dafür und dagegen mit den Patienten besser abwägen«, sagt die Altersmedizinerin Terri Fried. »Sonst überwiegt die Wahrnehmung der Nebenwirkungen und hält die Menschen von der Einnahme ab, sogar wenn es sich dabei nur um Übelkeit und Erschöpfung handeln sollte.«
    »Die Leitlinien der verschiedenen Fächer sind von

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