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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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das Zaudern und die Schwäche des Mars satt haben«, entgegnete ich.
    »Genau wie ich. Der Mars braucht zentrale Planung und Autorität, genau das schlagen wir ja auch vor.«
    »Zweifellos«, sagte ich, »aber …«
    »Wir könnten uns noch Stunden unterhalten, Miss Majumdar. Tatsächlich bin ich an die Entscheidungen gebunden, die meine Anwälte getroffen haben. Ich könnte für Sie ein persönliches Treffen mit ihnen arrangieren.«
    »Diese Gelegenheit wäre mir sehr recht.«
    »Unser Denker kann die Einzelheiten festlegen.«
    »Wunderbar. Jetzt würde ich gern privat mit Ihnen reden, ohne dass es aufgezeichnet wird«, sagte ich.
    »In diesem Büro führe ich keine Privatgespräche«, entgegnete Crown Niger ungerührt. »Das bin ich den Mitgliedern der Familie Cailetet schuldig.«
    »Es gibt Anschuldigungen, die Sie ihnen vielleicht lieber vorenthalten würden.«
    »Sie hören alles, was ich höre«, erwiderte Crown Niger und verwies mich an meinen Platz in dieser Debatte.
    »Einige der kleineren BGs haben uns mitgeteilt, dass Cailetet sich aus wichtigen Verträgen zurückgezogen hat. Genau zu dem Zeitpunkt, als sie zugesagt hatten, unsere Versammlung mit Vertretern zu beschicken.«
    »Das ist möglich«, räumte Crown Niger ein. »Wir haben viele Verträge.«
    »Die Anzahl dieser zurückgezogenen Verträge ist interessant«, fuhr ich fort. »Sie beträgt einhundert Prozent.«
    »Cailetet hat die Verträge platzen lassen, nachdem die BGs Ihnen zugesagt hatten?« Er wirkte beunruhigt und schüttelte verwundert den Kopf.
    »Haben Sie eine Erklärung für diese Zahl?«, fragte ich.
    »Im Moment nicht«, antwortete Crown Niger unbeteiligt.
    Ich verließ das Büro mit leeren Händen und Eiseskälte in den Knochen.
     
    Gegen Winterende des Marsjahres 57 hatten vierundsiebzig von neunzig BGs zugesagt, Delegierte zu einer verfassungsgebenden Versammlung zu entsenden. Zwölf von vierzehn Bezirksgouverneuren wollten persönlich teilnehmen. Die beiden übrigen würden Stellvertreter schicken. Die Zeit spielte für uns. Die allgemeine Stimmung flutete hin und her, wie eine riesige Amöbe. Ob mit oder ohne Cailetet: Der Mars war bereit.
    Ich war mittendrin, und die Mitte war in Bewegung.
    Die verfassungsgebende Versammlung trat am 23. Aries (Aries war der dreizehnte Monat des Marsjahres) im Plenarsaal der Mars-Universität Sinai zusammen. Bewusst wurde der Marskalender benutzt und damit zum ersten Mal hochoffiziell eine Zeitrechnung eingeführt, in der es elf zusätzliche, nach Sternbildern benannte Monate gab.
    Der Plenarsaal war ein großes Amphitheater, das tausend Menschen fasste. In der Arena stand ein ausziehbarer runder Tisch, an dem bis zu hundert Menschen Platz finden konnten.
    Detaillierte Analysen der verfassungsgebenden Versammlung sind anderswo veröffentlicht worden. Ich bin durch Eid daran gebunden, darüber hinausgehende Einzelheiten weitgehend für mich zu behalten. Aber so viel kann ich verraten: Es war eine schwierige Geburt. Es ging den BGs gegen den Strich, ihre Macht und Autorität aufzugeben, auch wenn ihnen dämmerte, dass es gar nicht anders ging. Wir alle beschritten einen dornigen Pfad. Hier schrieben wir Sonderrechte fest, dort hoben wir sie auf. Besorgten Appellen hörten wir geduldig zu, arbeiteten Kompromiss nach Kompromiss aus, stellten dabei aber nie den Kern einer tragfähigen demokratischen Verfassung zur Disposition (jedenfalls hofften wir das).
    Die Geburtsschreie des neuen Zeitalters waren die Stimmen Dutzender Männer und Frauen, die redeten, bis sie heiser waren – bis spät in die Nacht hinein und bis zum frühen Morgen. Sie stritten, schmeichelten, überredeten, nahmen leidenschaftlich Positionen ein, die sie zugunsten anderer Positionen wieder aufgaben. Sie machten einander fertig und brüllten sich so an, dass es fast zu Schlägereien gekommen wäre. Sie unterbrachen die Debatte, um am runden Tisch einen Imbiss einzunehmen, entspannten sich, legten denen, die noch vor wenigen Minuten ihre Erzfeinde gewesen waren, die Arme um die Schultern. Sie starrten schweigend und mit steinernen Mienen vor sich hin, wenn sie niedergestimmt wurden. Sie lächelten und verschränkten die Hände, wenn sie etwas durchsetzen konnten. Sie saßen erschöpft da, wenn man sie schachmatt gesetzt hatte … Und das ging Tage und Wochen so.
    Die Delegierten hielten ihre BG-Mitglieder ständig auf dem laufenden, bei wesentlichen Fragen baten sie manchmal um Entscheidungshilfe. Ti Sandra schickte mich nach

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