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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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erstens aus dem von den Delegierten gewählten Präsidenten und seinem Vizepräsidenten bestehen; zweitens aus den Bezirksgouverneuren und den Vertretern der BGs (ein Sitz pro BG); und drittens aus der bereits bestehenden Judikative. Diese Regierung würde höchstens für dreiundzwanzig Monate im Amt bleiben. Falls bis dahin keine Verfassung öffentlich ratifiziert war, würde eine weitere Versammlung zusammentreten – und der ganze Prozess würde von vorn losgehen.
    In der letzten Woche der Versammlung wurden Kandidatinnen und Kandidaten für die Interimsregierung nominiert. Ti Sandra Erzul erhielt von allen Kandidaten die meisten Stimmen und wurde von den Delegierten zur Präsidentin gewählt. Sie benannte mich zu ihrer Vizepräsidentin.
    Zu den letzten Tagesordnungspunkten gehörte die Frage, wie die neue planetarische Vereinigung heißen solle. ›Vereinigter Mars‹ wurde vorgeschlagen, aber viele, die gegen die Zentralisten gekämpft hatten, machten Einwände geltend. Begrifflichkeiten, in denen ›Vereinigung‹ oder ›vereint‹ vorkamen, fanden keine Mehrheit. Schließlich einigte sich die Versammlung auf ›Bundesrepublik Mars‹.
    Drei Entwürfe für Bundesfahnen wurden verworfen. Ein vierter Entwurf fand vorbehaltliche Zustimmung. Mit der Hand wurde ein Musterexemplar zusammengenäht und zur Verabschiedung vorgelegt. Die Fahne zeigte den roten Mars unten in einem weißen, von einer Diagonale begrenzten Feld, darüber zwei Monde auf blauem Grund. Sie drückte aus, wie sehr wir noch wachsen mussten.
    Ein Delegierter nach dem anderen – darunter Rechtsvertreter, Anwälte, Gouverneure, ihre Stellvertreter und Assistenten sowie normale Bürger – trat in den Plenarsaal und unterzeichnete die Erklärungen der Föderation, mit denen der Rat der BGs, die bis dahin gültige Charta und die Autonomie eines ganzen Jahrhunderts abgeschafft und aufgehoben wurden.
    Ti Sandra stand neben mir am Pult, hatte die Hand auf meine Schulter gelegt und lächelte breit.
    Als jeder der Unterzeichnenden seine oder ihre Signatur unter die Dokumente gesetzt hatte, begann ich es endlich zu glauben: Die entscheidenden ersten Schritte waren getan, die Mehrheit der BGs unterstützte uns, und es hatte keine extreme Behinderung gegeben.
    Wir hörten, Cailetet versuche eine alternative Versammlung ins Leben zu rufen, aber eine solche Versammlung kam nie zustande. Während der Stunden vor der Unterzeichnung kursierte das Gerücht, Achmed Crown Niger werde einen Anwalt schicken, der Gespräche mit der Interimsregierung aufnehmen sollte, aber ein solcher Anwalt traf nie ein.
    Ti Sandras Ehemann Paul kam zusammen mit Ilya in den Saal, als die Zeremonie beendet war. Ringsum schüttelten wir Hände und fielen einander in die Arme. LitVid-Reporter aus dem ganzen Dreierbund nahmen die Unterzeichnung und unsere Umarmungen auf.
    »Das Fossil Mars erwacht wieder zum Leben«, flüsterte mir Ilya ins Ohr. Wir schlossen uns der Menge an, um das Abendessen in demselben Saal einzunehmen, in dem mich einst die Wachposten der Zentralisten festgehalten hatten. »Ich bin stolz auf dich«, fügte Ilya hinzu und drückte meine Hand.
    »Du redest gerade so, als sei schon alles vorbei«, sagte ich vorwurfsvoll.
    »Aber nein!« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß, was jetzt kommt: Ich habe ab sofort keine Frau mehr. Wir werden uns einmal im Monat treffen … nach vorheriger Vereinbarung.«
    »Es wird hoffentlich nicht ganz so schlimm.«
    Wir saßen zusammen mit den Bezirksgouverneuren in der Mitte eines langen Esstisches und nahmen die Trinksprüche der Delegierten und Rechtsvertreter entgegen. Ti Sandra hielt eine kurze, bescheidene, aber aufrüttelnde Rede, mit der sie genau den richtigen Ton eines neuen Patriotismus traf. Danach aßen wir.
    Ich musterte die Delegierten, die Rechtsvertreter, die Gouverneure. Ihre Gesichter waren erschöpft, aber entspannt. Sie unterhielten sich und nickten während des Essens. Ich hatte etwas erfahren, das ich früher nie gekannt hatte, jedenfalls nicht in dieser Intensität.
    Die Zeit schien langsamer abzulaufen. Meine ganze Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf diese einmaligen Sekunden. Auf Hände, die aufgehäufte Gabeln zu offenen Mündern führten. Auf glänzende Augen, die den Blick anderer suchten. Auf das Gelächter und die empörten Einwände, wenn jemand im Scherz irgendwelche Vorwürfe erhob. Auf die abwehrenden Bemerkungen, wenn jemand über den grünen Klee gelobt wurde.
    Eine ernst blickende Frau beschrieb,

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