Heimat Mars: Roman (German Edition)
Leander und machte es sich auf seinem Sitz bequem. »Das Universum ist tatsächlich in einer Nussschale enthalten. Entfernung und Zeit spielen keine Rolle, außer als Variationen in den Deskriptoren. Mit diesem Wissen könnten wir wirklich unendlichen Raum beherrschen.«
»Und was ist mit den Albträumen?«
Leanders Gesicht nahm plötzlich einen ernsten, ja sogar traurigen Ausdruck an. »Charles hat mich als Sprachrohr auserkoren, weil ich das Aussehen für diese Rolle mitbringe und bei Bürokraten besser ankomme. Das heißt aber nicht, dass ich mir die ganze Zeit auf die Zunge beißen kann. Wir stecken gemeinsam in der Sache, Miss Majumdar. Sie können weiter auf dem hohen Ross sitzen und uns Naivität und intellektuelle Anmaßung vorwerfen. Aber Sie können uns nichts erzählen, das wir nicht schon tausendmal persönlich durchdacht haben.«
»Keine Unterstellungen, Stephen«, warnte Charles. »So grob vereinfachend sieht Casseia das nicht.«
Leander nahm sich mit sichtlicher Mühe zusammen, lächelte strahlend und unaufrichtig und sagte: »Tut mir leid. Zufällig bin ich der Meinung, dass es auf einen Mangel an Vorstellungskraft hinweist, wenn man sich ausschließlich auf die Albträume konzentriert, nur die schlechten Seiten sieht.«
»Warum ist die Präsidentin nicht mitgekommen?«, fragte Charles. »Dies hätte doch Vorrang haben müssen.«
»Es ist ein wichtiges Problem aufgetaucht. Wenn sie es nicht löst, könnte sich unser Konstrukt in seine Bestandteile auflösen. Und dann gibt es keine verfassungsgemäße Regierung mehr, die entscheiden kann, wie sie mit eurer Arbeit umgehen will. Sie vertraut darauf, dass ich ihr schon sagen werde, was los ist.«
»Sie hat Angst, nicht wahr?«, fragte Charles.
Ich rümpfte die Nase.
»Ich hab’s ihr an den Augen angesehen. Sie denkt in menschlichen Maßstäben. Mit dieser Art von Unermesslichkeit kommt sie nicht ganz klar.«
Ich nickte. »Kann sein.«
»Und was ist mit dir? Kannst du deine Furcht überwinden und die Sache mit den Augen eines Kindes betrachten?«
»Erwarte nicht zu schnell zu viel, Charles«, erwiderte ich.
Im Testgelände hatten Roboter am Vortag eine behelfsmäßige Unterkunft aufgebaut, in der zwanzig Menschen Platz hatten. Vier der Olympier – Leander, Charles, Chinjia und Royce – waren anwesend. Chinjia und Royce waren sogar schon vor Fertigstellung der Unterkunft hergeflogen, um ihre Gerätschaften zu installieren.
Ringsum war die Landschaft so kahl, wie ich sie von den Vids kannte, die ich im zweiten Studienjahr in den Bodenkunde-Seminaren gesehen hatte. Melas Dorsa hatte nichts von dem Theatralischen der Sulci oder von den Farben Sinais, keine Fossilien, keine Mineralien …
Eine Stunde nach unserer Ankunft flogen die Wissenschaftler, die wir als Zeugen der Demonstration eingeladen hatten, in einem weiteren Shuttle ein. Ulrich Zenger und Jay Casares waren engagierte Anhänger der Verfassung und hatten einen makellosen akademischen Ruf. Sie waren Professoren für Theoretische Physik an der Universität von Icaria, einer unabhängigen Forschungseinrichtung, die von sechs BGs finanziert wurde. Wir machten uns in der Unterkunft miteinander bekannt. Charles erklärte ihnen unverzüglich, worum es bei diesem Experiment ging.
Die Testanlage selbst befand sich unter einer Zeltkuppel, in der kein Luftdruck herrschte. In Schutzanzügen legten Charles, Chinjia, Royce, Zenger, Casares und ich den Weg von der Unterkunft zur Kuppel zurück. Casares nahm einen Zylinder mit reinem Wasserstoff, den Zenger und Casares vorbereitet und mitgebracht hatten, und befestigte ihn sorgfältig in einer Schlinge, die vom Scheitelpunkt der Kuppel herunterhing. Danach brachten Zenger und Royce einen Neutronenzähler und andere Instrumente. Roboter zeichneten die Vorbereitungen auf Vid auf.
»Was werden wir sehen?«, fragte Casares Charles während der letzten Vorbereitungen.
»Sie haben unsere theoretischen Arbeiten studiert und verstehen, was wir unserer Behauptung nach erreicht haben?«, fragte Charles im Gegenzug.
Casares nickte.
»Und hat es Sie überzeugt?«
Casares schüttelte den Kopf. »Es ist faszinierend. Aber ein Paradigmenwechsel geht mir gegen den Strich.«
»Könnte Ihr Wasserstoff-Zylinder auf irgendeine Weise Energie produzieren?«
»Im gegenwärtigen Zustand nicht«, antwortete Casares.
»Wir werden ihn dazu bringen, eine große Menge Energie zu produzieren.«
Wir gingen zurück zur Unterkunft, legten unsere Schutzanzüge ab und
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