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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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nach.
    »Wenn wir eine Probe von Atomen auf den absoluten Nullpunkt bringen, nimmt der ko-extensive Raum drum herum die Eigenschaften eines großen einzelnen Teilchens an. Wir nennen es Pierce-Region oder Tweaker. Der Tweaker hat seine eigene Ladung, Spin und Masse, und zwar e- mal die Masse der ursprünglichen Atomprobe. Seine Extramasse ist natürlich eine Pseudomasse, auch die Eigenschaften sind Pseudo-Eigenschaften. Wir haben das Pseudo-Teilchen, den Tweaker, in einem Vakuum in der Schwebe gehalten. Wir fanden heraus, dass wir bei Manipulation des Tweakers in Wirklichkeit einen Deskriptor auswählten, ihn aus der Wolke herauszogen und direkt veränderten. Aber es tat sich nichts. Bis wir zufällig über den einzigartigen Identitäts-Deskriptor stolperten, der ein Teilchen von allen anderen getrennt hält.«
    »Und was weiter?«
    »Mit dem Tweaken oder Umdrehen dieses einzigartigen Identitäts-Deskriptors konnten wir unser Pseudo-Teilchen in jedes beliebige andere Teilchen umwandeln, wo es sich auch befinden mochte. Das Pseudo-Teilchen selbst existiert gar nicht in der Matrix – die Matrix erkennt es nicht. Darum nimmt ein anderes Teilchen die Eigenschaften an, die wir ihm zuweisen. Das kann ein einzelnes, weit entferntes Teilchen sein – oder alle Teilchen innerhalb eines wohldefinierten Volumens.«
    Das leuchtete mir beinahe ein. »Der Tweaker, der ko-extensive Raum, wird zum Stellvertreter für andere Teilchen. Was ihr mit ihm anstellt, stellt ihr mit ihnen an.«
    »Richtig«, antwortete Charles. »Verstehst du, eigentlich gibt es gar keine Teilchen – keine solchen Dinge wie Raum oder Zeit. Das sind jetzt nur noch Fragmente des alten Paradigmas. Uns bleiben nur noch Deskriptoren, die innerhalb einer Undefinierten Matrix interagieren.« Er warf einen Blick über die Schulter auf Casares und Zenger, deren sich bewegende Schatten durch den transparenten Vorhang zu sehen waren. Chinjia und Leander halfen ihnen. »Wir können ein weit entferntes Teilchen auf eine Weise anregen, die man als Signal deuten kann.«
    »Wie schnell?«, fragte ich.
    »Wie schnell das Signal reisen kann? Ohne jeden Zeitverzug. Denk daran: Die Entfernung existiert nicht.«
    »Verletzt ihr dabei nicht ein paar wichtige Gesetze?«
    »Darauf kannst du wetten«, antwortete Charles begeistert. »Ein Paradigmenwechsel. Und das sage ich nicht leichthin. Wir haben die Kausalität direkt zur Tür hinausgeworfen. Wir ersetzen sie durch einen eleganten Balanceakt im Bell-Kontinuum. Buchhaltung.« Er spitzte die Lippen, sog tief Luft ein, verschränkte die Hände auf dem Tisch und schlug mit einem Handknöchel leicht auf die Tischplatte. »Das ist die Erklärung. So kurz und einfach wie möglich formuliert.«
    »Die ganze?«, fragte ich. Er hielt etwas zurück.
    »Die ganze, die im Augenblick zählt – und ganz bestimmt so weitgehend, wie du sie hören möchtest.«
    »Du meinst so weitgehend, wie ich sie nachvollziehen kann. Noch eine Frage: Was ist das Bestimmungs-Tweak ?«
    Charles senkte den Blick. »Du hast den Brief aus Stanford gelesen«, stellte er fest.
    »Ja.«
    »Und mir deshalb vor ein paar Jahren die Nachricht geschickt.«
    »Ja.«
    »Das war Spekulation. Reine, unbegründete Spekulation.«
    »Und sonst nichts?«
    Er schüttelte den Kopf. »Wie läuft die Arbeit bei deinem Mann?«
    »Sehr gut«, antwortete ich.
    »Sie haben eine seltsame Vorliebe für Wissenschaftler, Miz Majumdar«, sagte Charles mit mehrdeutigem Lächeln.
    Ehe ich antworten konnte, kamen Leander und Casares durch den Vorhang und ließen sich in der Nische nieder. »Wir sind fertig«, sagte Casares. »Das Innere des Behälters ist beschädigt – als hätte man ihn angeschmort und verätzt. Ich bin davon überzeugt, dass in der versiegelten Probe durch eine Antimaterie-Interaktion Energie entstanden ist. Davon ist auch Doktor Zenger überzeugt.«
    »Ich gehe vorläufig davon aus«, warf Zenger korrigierend ein, der sich zu uns gesellt hatte.
    »Wir können unseren Bericht direkt an die Präsidentin schicken oder …«
    »Ich nehme ihn mit und leite ihn ihr zu«, sagte ich.
    »Haben Sie schon Sicherheitsmaßnahmen beschlossen?«, fragte Leander. »Wir müssen wissen, mit wem wir reden können.«
    »Wir sind noch dabei, die Einzelheiten festzulegen.«
    »Regierungspolitik liegt im Detail«, bemerkte Charles.
    Auf dem Rückweg betrachtete ich Charles und Chinjia, beobachtete ihre Gesten, das Spiel ihrer Blicke, wenn sie einander oder mich, Zenger und Casares ansahen.

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