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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Während wir über Solis Dorsa hinwegflogen und dem Ausläufer eines schwachen, aber großflächigen Sandsturms auswichen, fühlte ich mich plötzlich irgendwie beklommen.
    Etwas sehr Wichtiges war nicht ausgesprochen, nicht behandelt worden.
    Nicht nur die Regierungspolitik lag im Detail.
    Meine Stimmung verschlechterte sich. Je weniger ich verstand, je weniger ich interpretieren konnte, was gesagt wurde, desto schwächer würden Ti Sandra und ich dastehen. Wir konnten uns keine Schwäche leisten. Wir würden diese Dinge noch viel umfassender begreifen müssen – um ihre Implikationen so weit wie nur irgend möglich vorherzusehen.
    Dazu gab es für mich nur einen Weg. Ich hatte nicht Charles’ natürliche Begabungen. Ich konnte seine intuitiven Gedankensprünge nicht nachvollziehen. Ich würde zumindest einen einzigen Schritt in Oriannas Richtung tun müssen. Charles hatte es vorgeschlagen. Es war offensichtlich notwendig. Aber es ging mir immer noch völlig gegen den Strich.
    Ich brauchte eine Erweiterung. Ich würde mich zu Charles’ Verständnisebene, wenn nicht sogar Brillanz, aufschwingen müssen – und das so bald wie möglich.

VIERTER TEIL
     
     
    2182-2183
    M ARSJAHR 59

N ACH AUSSEN HIN ÄNDERTE SICH die gesellschaftliche Struktur des Mars – wo die Menschen lebten, mit wem sie sich zusammentaten – nur wenig. Die größten Veränderungen erlebten die Beamten in der frischgebackenen Regierung, die wie Vögel auf der Suche nach einem Nest über den Mars schwärmten. Das Nest wurde gefunden, die Interimspräsidentin hatte es ohne viel Federlesens ausgesucht. Ti Sandra wählte Schiaparelli Basin zwischen Arabia Terra und Terra Muridiani, und bald sprudelte die kleine Siedlung Many Hills vor Aktivität. Hier sollte die Hauptstadt des Mars entstehen.
    Eine so großartige Bestimmung erforderte mehr als das Ausheben von Tunneln und den Bau von Kuppeln. Es erforderte eine Renaissance der Architektur, etwas, das das ganze Sonnensystem beeindrucken und als Symbol der neuen Republik dienen würde. Alle Familien der Republik wollten finanzielle Mittel und fachkundigen Rat beisteuern. Die Schwierigkeit bestand darin, aus der Fülle von begeisterter Unterstützung und Ratschlägen auszuwählen.
    Die vorläufige gesetzgebende Körperschaft rief eine Instanz namens Point One ins Leben und wies ihr eine doppelte Aufgabe zu: Sicherung der Exekutive und Informationsbeschaffung für die Regierung in ihrer Gesamtheit. Ti Sandra hatte darüber nachgesonnen, dass man die Aufgabenbereiche irgendwann trennen müsse, andernfalls werde eine fünfte Regierungsabteilung entstehen: »die Abteilung für Intrigen und Dolchstöße«, wie sie es nannte. Allerdings war bis jetzt alles reibungslos über die Bühne gegangen.
    Im winzigen Hauptquartier von Many Hills unterhielt ich mich mit Ti Sandra über das Ende unserer Regierungszeit und den Übergang zu einer vom Volke gewählten Regierung. Ich wollte die Zusammenarbeit mit den Olympiern fortsetzen, zumindest bis ein voll einsatzfähiges Ministerium für Forschung und Wissenschaft eingerichtet war. Ich erwähnte, dass ich mir eine Erweiterung zulegen wollte. Ti Sandra interessierte sich für die Art der Erweiterung, die ich nutzen wollte. Ich wusste es noch nicht. Und dann präsentierte sie ihrerseits eine Überraschung.
    Die Präsidentin ging an dem Display entlang, das eine ganze Wand ihres Büros einnahm. Die Medienanschlüsse waren erst am Vortag installiert worden. Von dem neuen Display konnte man umfassende Statistiken über den Mars in Sekundenschnelle abrufen, außerdem hatte es Zugriff auf alle externen Netze. Spezielle Denker suchten alle LitVid-Übertragungen gezielt nach Bildern und Begriffen ab und kommentierten ständig die Stimmung auf dem Planeten. Wir hatten vor, uns ähnliche (wenn auch nicht ganz so umfangreiche) kostenpflichtige Dienste auch für andere Teile des Dreierbundes einschließlich der Erde zu sichern.
    Unser Gespräch wandte sich der kommenden Wahl zu. »Wir sind gar nicht so schlecht, weißt du«, sagte Ti Sandra. »Hast du die Umfrageergebnisse gesehen?«
    Viele Menschen hatten sich zur Kandidatur bereit erklärt, aber in der Vorwahl-Meinungsumfrage hatte keiner von ihnen besonders gut abgeschnitten.
    »Ich habe sie gesehen«, antwortete ich.
    »Wenn wir kandidieren würden, könnten wir wahrscheinlich gewinnen«, sagte sie mit einem tiefen Seufzer.
    Ich spürte eine innere Anspannung. »Meinst du das ernst?«
    Ti Sandra lachte und umarmte mich.

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