Heimat Mars: Roman (German Edition)
Konkurrenz zu den terrestrischen Akademikern treten wollten.
Auf dem Mars hatte es immer schon Menschen gegeben, die Erweiterungen nutzten. Zuerst waren es Wirtschaftswissenschaftler gewesen, ihnen folgten Mathematiker, Physiker, Soziologen und zuletzt auch Ärzte. Aber inzwischen kamen auch Marsianer nach Shinktown, die nicht aus besonderen beruflichen Gründen Erweiterungen wollten. An der Mars-Universität Sinai hatte sich der Erwerb von Erweiterungen in den letzten drei Jahren verdreifacht.
Die Einstellungen waren im Wandel begriffen. Der Mars wurde der Erde immer ähnlicher. In zwanzig Jahren würden wir sie vielleicht eingeholt haben – dachte ich damals.
Für die Reise nach Shinktown nahm ich Urlaub. Dort suchte ich, innerlich zitternd, Pribiloffs Praxis auf. Die Inneneinrichtung war ein modernes Imitat des alten Siedlerstils und verkörperte das ursprüngliche marsianische Design jener Zeit, als die Güter noch knapp waren – allerdings mit einem Hauch von Ironie. Ich mochte den Stil, aber meine Nervosität legte sich trotzdem nicht.
Eine mütterliche, sehr konservativ gekleidete Sekretärin führte eine kurze medizinische Untersuchung durch und bestätigte mir die bereits bekannten Gesundheitsdaten. Dann geleitete sie mich in Doktor Pribiloffs inneres Heiligtum. Er kam mir zur Tür entgegen, schüttelte mir fest die Hand, nahm auf einem Hocker Platz und bot mir einen bequemen Sessel unter einer Lampe an. Der Rest des kleinen Zimmers lag im Schatten, auch er selbst blieb im Hintergrund. Der Doktor schien in meinem Alter zu sein. Er hatte ernste Gesichtszüge, eine hohe Stirn, tiefbraune Haut und wirkte auf gelehrtenhafte Weise anziehend. Er trug einen einfach geschnittenen Anzug und elegante Schaftstiefel. Es fiel mir auf, dass eine Tasche fürs Kom an seiner Kleidung fehlte. Sicher hatte er ein implantiertes Kom.
»Sie haben eine interessante Wahl getroffen, Frau Vizepräsidentin«, eröffnete Pribiloff das Gespräch. »Es gibt nicht viele Politikerinnen und Politiker, die eine speziell wissenschaftliche Erweiterung wollen. Sie haben früher kein besonderes Interesse an solchen Gebieten gezeigt … Darf ich fragen, warum Sie inzwischen daran interessiert sind?«
Ich lächelte höflich und schüttelte den Kopf. »Eigentlich hat es rein persönliche Gründe«, antwortete ich.
»Hobby-Erweiterungen sind nicht immer das Wahre«, informierte er mich und rutschte auf seinem Hocker hin und her. »Wenn man sich auf den neuesten Stand bringen will, braucht man dazu immer noch sehr viel Motivation und Konzentration. Das Modell, das Sie angefordert haben … Ich habe dieses Modell noch nie eingesetzt. Es ist die Variation einer auf der Erde entwickelten Erweiterung. Und selbst dort wird sie nur selten eingesetzt.«
»Warum fragen Sie mich nach meinem Motiv?«
»Es ist nicht nur Neugier, Miss Majumdar. Wir müssen ihre neurale Syntax mit der Erweiterung in Einklang bringen. Und dieses Modell funktioniert nur in einem bestimmten Bereich syntaktischer Ergänzungen optimal. Ich nehme an, Sie werden damit klarkommen …«
»Davon habe ich mich überzeugt, ehe ich hierher kam«, teilte ich ihm mit.
»Ja. Trotzdem: Die Erweiterung verlangt sehr viel Konzentration. Sie ist recht aggressiv, wie wir es ausdrücken. Manche würden sagen: Sie kann nerven.«
»Inwiefern?«
»Zum einen wird sie Ihre Sichtweise dadurch verändern, dass sie eine direkte Verbindung zwischen mathematischer Vorstellungskraft und innerer Sicht herstellt. Das ist keine dauerhafte Veränderung, aber wenn Sie die Erweiterung länger als drei Jahre haben und entfernen lassen wollen, wird die Anpassungsphase recht unangenehm für Sie sein.«
»Entzugserscheinungen«, sagte ich.
»Manche Leute haben es so beschrieben. Aufgrund der Erweiterung werden Sie ein bisschen anders denken, ein bisschen analytischer, was gewisse Dinge betrifft. Vielleicht sehen Sie selbst soziale Beziehungen in einem neuen Licht.«
»Ihnen scheint bei meiner Wahl nicht recht wohl zu sein, Doktor.«
»Aber nein. Ich möchte nur, dass meine Klienten das Potential und die Grenzen einer solchen Erweiterung verstehen. Wenn Sie ausreichend motiviert sind, wird es bestens funktionieren. Aber wenn Sie’s nicht sind …«
»Ich bin’s«, versicherte ich.
»Also gut. Ich möchte Ihnen die verfügbaren Erweiterungsmöglichkeiten jetzt kurz erläutern. Dieses Modell hat Standardgröße, enthält aber im Unterschied zu rein faktenorientierten Erweiterungen sehr viele
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