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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Mathematik kann man damit mehr oder weniger in Einklang bringen. Mathematik ist eine Rechenmatrix. Ihre Fähigkeit der Beschreibung und Vorhersage ist kein Rätsel, wenn das beobachtete Universum das Ergebnis einer Rechenmatrix ist. Kein Mysterium, sondern ein fundamentaler Schlüssel.«
    Ich hatte ihm aufmerksam zugehört und versucht, seine Gedankengänge nachzuvollziehen. Manches war recht klar, aber seinen intuitiven Sprüngen konnte ich nicht folgen.
    Charles blinzelte zur Decke. »Das hab ich noch nie jemandem erzählt. Du siehst meine theoretische Unterwäsche, Casseia.«
    »Ist mir nicht peinlich«, sagte ich. »Ich begreife ja kaum, was ich da sehe.«
    »Wir haben uns ständig im Kreis gedreht, wir haben über die Verantwortung für die Entdeckung gesprochen, über die Probleme, die die Deskriptor-Theorie dir und jedem anderen macht. Deshalb wollte ich dir mehr über die Dinge erzählen, die ich zu meiner Entschuldigung anführen kann. Bei all dem kommen wir ohne Gott aus – aber das heißt nicht, dass ich nicht nach Gott gesucht hätte. Ich hab einfach noch nicht den Schlüssel gefunden. Vielleicht gibt es gar keinen Schlüssel. Aber wenn ich über diese Dinge nachdenke, wenn ich mich mit diesen Problemen auseinandersetze, dann – und nur dann – empfinde ich so etwas wie Würde vor Gott.
    Ich habe mein Leben schon als rechtschaffener Mensch gelebt, ich bin ja kein Ungeheuer. Aber ich habe so viele emotionale Probleme, wie ein Mensch nur haben kann. Wenn ich arbeite, transzendiere ich diese Probleme. Bin rein. Es ist wie eine Droge. Ich kann nicht mit dem Denken aufhören, nur um verantwortlich zu handeln und dem Wandel einen Riegel vorzuschieben. Ich brauche die Reinheit dieser Art des Denkens, dieser Art von Entdeckung. Vielleicht werde ich nie Erlösung in einer Liebe finden. Vielleicht werde ich mich selbst nie völlig verstehen. Aber wenigstens werde ich das haben: die Augenblicke, in denen ich Fragen über die Wirklichkeit gestellt und sinnvolle Antworten bekommen habe.«
    »Wann hast du deine Annahmen zum ersten Mal für gerechtfertigt gehalten?«
    »Ich habe die Olympier zusammengebracht. Stephen war entscheidend für die Politik, besonders als wir anfingen, für Cailetet zu arbeiten. Als erstes haben wir den Versuch von William Pierce wiederholt. Wir haben seinen Apparat nachgebaut, die Dämpfung des Feldes verbessert und für wirksamere Pumpen zur Einwirkung auf das Feld gesorgt. Wir haben eine kleinere Probe von Atomen benutzt. Und wir haben die Atome tatsächlich auf den absoluten Nullpunkt gebracht. Bei Nulltemperatur dehnt sich das Bell-Kontinuum wie die Raumzeit aus, sie werden ko-extensiv. Sie verschmelzen. Und man kann die Deskriptoren innerhalb der Teilchen verändern.«
    »Und das ist alles?«, fragte ich.
    »Das allein ist schon eine gigantische Sache«, entgegnete Charles. »Aber du hast recht. Es würde noch nicht reichen … Die Erde glaubt, Deskriptoren seien einfache Ja-Nein-Schalter. Aber ich kam zu dem Schluss, dass es so einfach nicht sein kann. Zuerst habe ich versucht, sie als ebene variable Funktionen zu betrachten. Aber das klappte auch nicht. Sie waren keine Ja-Nein-Schalter, aber auch keine ebenen Wellen. Sie hingen wechselseitig voneinander ab. Jeder Deskriptor bezog sich auf die anderen Deskriptoren. Zusammen bildeten sie ein Netzwerk. Jedes Teilchen, das Masse hat, enthält dieselbe Anzahl von Deskriptoren. Aber diese Zahl ist keine ganze Zahl. Sie ist nicht einmal rational. Deskriptoren folgen von Anfang bis Ende der Quantenlogik.« Er sah mich ein wenig besorgt an. »Langweile ich dich?«
    »Ganz und gar nicht«, antwortete ich. Ich merkte, dass mich der Klang seiner Stimme anzog. Seine Stimme klang einerseits jungenhaft begeistert, andererseits sehr bestimmt. Kinder, die mit Streichhölzern spielen. Die Faszination des Feuers.
    »Wenn du einen Deskriptor ›umdrehen‹ willst, musst du ihn erst dazu überreden, dass er überhaupt existiert «, fuhr Charles fort. »Du musst ihn aus der Wolke potentieller Deskriptoren herauslösen, die alle miteinander zusammenhängen und voneinander abhängig sind. Und dazu brauchst du einen QL-Denker.«
    »Aber wie erreichst du sie?«, fragte ich.
    »Gute Frage«, antwortete Charles. »Du denkst wie ein Physiker.«
    »Eher wie ein Kind, das aus Matsch Kuchen backen will«, erwiderte ich.
    Er lächelte und stupste mit seinen Fingern gegen meine Hand. »Unterschätz dich nicht.«
    Ich zog meine Hand zurück. »Also wie?«, hakte ich

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