Heimat Mars: Roman (German Edition)

Nachricht überbringen. Sie tragen jetzt eine noch viel schwerere Bürde. Ti Sandra Erzul und ihre Besatzung sind wahrscheinlich einem Flugzeugversagen zum Opfer gefallen. Vielleicht war es ein Unfall, aber wir sind uns nicht sicher. Wir haben den genauen Absturzort noch nicht ermitteln können, und es kann auch noch dauern, bis es uns gelingt. Die Notsignale haben angezeigt, dass die Bergungsroboter keinen Überlebenden im Wrack gefunden haben. Es tut mir so leid. Wir bringen einen Verwaltungsrichter durch die Gerichtstunnel hierher. Wir werden Sie so schnell wie möglich als Präsidentin vereidigen, vielleicht schon in den nächsten Minuten.«
    Einen Augenblick wusste ich nicht, ob es sich um den vorgetäuschten Tod Ti Sandras handelte, den sie mir angekündigt hatte, oder um eine echte Katastrophe. Ich musste von der ersten Möglichkeit ausgehen. Ich würde amtierende Präsidentin werden.
    Damals empfand ich gar nichts. Ich war zu einem Roboter geworden, der für einen politischen Apparat mit ganz eigenen, zwingenden und seelenlosen Regeln arbeitete.
    Point One hatte seine Rolle als sicherndes Glied der Befehlskette während meiner Flucht aus Sinai, während meiner Zugfahrt erfüllt. Man hatte den Interimssprecher des Hauses der Gouverneure mit dem Shuttle aus Amazonis eingeflogen. Der Sprecher des Hauses des Volkes war von Anfang an in Many Hills gewesen. Den Interimskongress hatte es während des Wahlkampfes erwischt, er war – bis auf drei Gouverneure und zwei kandidierende Abgeordnete – über den ganzen Mars verstreut. Letztere befanden sich in einem tiefen Tunnel und wurden von allem beschützt, was die Point One-Leute an Sicherheitsrobotern und Sicherheitspersonal hatten zusammentrommeln können.
    Point One hatte die Kontrolle über alle verfügbaren Verbindungen übernommen. Das externe Netz war zusammengebrochen, aber einige private Mobilfunk-Netze mit eingeschränktem lokalen Sendebereich konnten noch manuell betrieben werden. Sie hielten uns über die Situation in den Siedlungen rund um das Schiaparelli-Becken auf dem laufenden. Es gab tatsächlich noch eine gewisse Kommunikation, aber sie betrug nicht einmal ein Tausendstel der normalen Kommunikation auf dem Mars.
    Mit den Olympiern konnten wir immer noch nicht reden. Auf Tage, wenn nicht Wochen hinaus, konnte ich mit weiteren Botschaften Ti Sandras nicht rechnen.
    Alles ging drunter und drüber, niemand wusste, was geschehen würde.
    Angeführt von Dandy Breaker, brachten mich fünf Leibwächter und zwei Roboter in den engen Notausgangstunnel zweihundert Meter unterhalb des Kongresshauses. Direkt unter uns befand sich das neue, erweiterte Wasserreservoir für Many Hills. In diesem Tunnel stieß ich auf die klägliche Schar von sieben Kongressmitgliedern. Einen Augenblick lang sprach niemand, dann umringten sie mich, schüttelten mir die Hand und bombardierten mich mit Fragen.
    Ich hob die Arme, wich einem Gouverneur aus, der mich anscheinend umarmen wollte, und rief so laut ich ohne zu brüllen konnte: »Wir sind jetzt die einzigen Menschen, die als gesetzmäßige Regierung für die Republik handeln können! Wir müssen Ordnung schaffen!«
    Der Sprecher des Hauses der Gouverneure, Henry Smith aus Amazonis – ein stämmiger Mann mit getrimmtem Bart und klugen Schweinsäuglein – nutzte seine überlaute Stimme dazu, die Versammlung zur Ordnung zu rufen. »Es ist klar«, raunte er mir zu, »dass wir nicht beschlussfähig sind, aber schließlich handelt es sich hier um eine Notstandssitzung.«
    Ich gab ihm recht. »Allen unseren Sicherheitsleuten, die Point One zusammengetrommelt hat, gilt unser Dank für ihren außerordentlichen Einsatz …«
    »Sie haben die Katastrophe nicht verhindert«, rief der Abgeordnete aus Argyre.
    »Sie sind ja auch nicht zur militärischen Verteidigung da!«, entgegnete Henry Smith. Dabei hob er seine zur Faust geballte Hand und senkte sein Kinn, so dass er aussah wie ein zum Angriff bereiter Stier. Argyre klappte mit weit aufgerissenen Augen den Mund zu. Alle Männer und Frauen waren überaus verängstigt.
    »Bitte lassen Sie mich sagen, was ich zu sagen habe«, fuhr ich fort.
    »Ohne Zwischenrufe«, betonte Henry Smith.
    »Es kann sein, dass die Präsidentin tot ist.«
    Einige der Kongressmitglieder und selbst manche Sicherheitsleute, für die das neu war, schienen in sich zusammenzuschrumpfen. Ihre Gesichter waren leer wie die von unter Schock stehenden Kindern. »Mein Gott«, stöhnte Henry Smith.
    »Ich werde bald den