Heimat Mars: Roman (German Edition)
Amtseid ablegen, es sei denn, wir erfahren, dass Ti Sandra Erzul noch lebt. Wir haben gehört, dass ihr Shuttle abgestürzt ist. Ich nehme an, dass es durch irgendeine feindliche Handlung zerstört wurde.«
»Wer? Wer, um Gottes willen, tut uns so etwas an?«, schrie die Abgeordnete Rudia Bly aus Icaria.
»Man hat mir mitgeteilt, dass wir mit Cailetet-Leuten als Vertretern der Erde verhandeln werden. Die Erde hat anscheinend veranlasst, dass alle unsere Denker und Computer durch aktivierte Evolvons lahmgelegt wurden.«
»Wir haben sie doch gründlich überprüft«, rief jemand. »Sie hatten doch Garantie.«
»Ruhe!«, brüllte Henry Smith.
Ich bat Lieh Walker, die Leiterin des Kommunikations- und Observationsdienstes von Point One, uns über den Stand der Dinge zu informieren. Ihre Worte boten keinen Trost. Wir wussten über die Situation rund um Schiaparelli weitgehend Bescheid und hatten auch kurze Mitteilungen von so weit entfernten Orten wie Milankowitsch und Promethei Terra erhalten, konnten uns aber kein vollständiges Bild machen. »Die Kommunikation mit anderen Teilen des Mars ist äußerst eingeschränkt«, sagte sie. »Und selbst wenn wir die Informationen hätten, könnten wir daraus kein schlüssiges Bild gewinnen. Wir können die Daten nicht mehr übersetzen, es ist alles zusammengebrochen. Alles ist total mit Viren verseucht – bis auf unsere persönlichen Koms und ein paar auf dem Mars hergestellte PCs.«
Als sie ihren Bericht beendet hatte, ergriff ich erneut das Wort. »Es kann sein, dass wir unsere Stellung vorübergehend nicht mehr halten können. Man hat den Mars nicht nur lahmgelegt, sondern die Erde hat Teile des Planeten offenbar auch mit Heuschrecken gespickt.«
Manche Kongressabgeordneten verstanden den Ausdruck ›Heuschrecken‹ gar nicht. Die Marsianer waren immer schon für ihren engen Horizont bekannt. Ich erläuterte kurz, um was es ging. »Kann das möglich sein?«, fragte jemand.
Henry Smith sah mich an, als bitte er mich um moralische Unterstützung. »Ich habe einige Informationen darüber«, sagte er. »Es handelt sich um eine kleine, gut verborgene Kloake technischer Entwicklung. Niemand bekennt sich groß zu einer solchen Sache.«
»Dann sind wir geliefert«, sagte der Mann aus Argyre.
»Nicht so vorschnell«, entgegnete ich scharf. »Ein paar Möglichkeiten sind immer noch offen.«
Dandy Breaker kam in den Raum und teilte mir mit, die Unterhändler von Cailetet seien mit dem Shuttle am Bahnhof angekommen. »Sauber und gut angezogen«, sagte er verächtlich. »Ihr Zeug scheint noch zu funktionieren.«
Ich warf Lieh Walker einen Blick zu, mit dem ich sie um eine Erklärung bat. Sie zog die Mundwinkel herunter, ihre Augen blitzten vor Wut. »Cailetet wurde aus unseren Netzwerken ausgekoppelt«, sagte sie. »Vielleicht sind sie nicht betroffen, aber sie halten sich bedeckt. Aus ihren Regionen dringt nichts ins Netz von Point One durch.«
Ich musterte die Abgeordneten. Ich würde einen Zeugen und einige Unterstützung für meine Verhandlungen brauchen. Ich musste eine weise Wahl treffen, und das bei einer Gruppe, die ich nur flüchtig kannte. Die Interimsregierung hatte nie ganz Hand in Hand gearbeitet. Ti Sandra hatte viele Angelegenheiten mit diesen Leuten persönlich abgewickelt, dagegen hatte ich selbst nur wenige von ihnen bei sehr flüchtigen Gelegenheiten kennengelernt.
»Gouverneur Smith, Abgeordnete Bly, wenn Sie mir bitte folgen würden …«
Smith wirkte ein bisschen eitel, aber er war klug und zäh – das hatte mir Ti Sandra erzählt, und ich traute ihrem Urteil ohne wenn und aber. Die kandidierende Abgeordnete Rudia Bly aus dem östlichen Hellas (sie hatte keinen Gegenkandidaten) hatte vor einigen Monaten im Bauausschuss für die Hauptstadt mit mir zusammengearbeitet. Sie war im allgemeinen ruhig und aufmerksam, und ich hatte mich in ihrer Nähe wohl gefühlt.
Ich wollte nicht zu lange über das Gewicht jeder Entscheidung, die ich jetzt zu treffen hatte, nachdenken. Oder über die Rollen, die diese Leute spielen würden. Oder über das, was ich mit den Verrätern von Cailetet besprechen würde.
Irgend jemand hat einmal gesagt, niemand bezahle Politiker dafür, Gefühle an den Tag zu legen. Aber als mir der Verwaltungsrichter in einem winzigen Vorzimmer zum Saal des Höchsten Gerichts, inmitten von grauen Reihen schlafender, verseuchter Denker der Juristischen Bibliothek, den Präsidentschaftseid abnahm, weinte ich still vor mich hin.
Niemand schenkte
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