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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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ein, die Nachricht zu löschen, das Bild verblasste.
    Heuschrecken.
    Jack beugte sich vor und berührte besorgt meine Hand. »Ist Ihnen nicht gut?«, erkundigte er sich.
    »Was wissen Sie über Heuschrecken?«, fragte ich.
    Jack setzte sich auf und rieb die Hände an den Knien. »Mein Gott«, sagte er. »Vertraglich im ganzen Dreierbund verboten. Was, in Gottes Namen, könnten wir der Erde antun … Haben die das wirklich getan?«
    »Die Präsidentin sagt’s.«
    Er sah aus, als werde er, überwältigt von Zorn, Angst und Hilflosigkeit, gleich zu weinen anfangen. »Mein Gott«, wiederholte er und konnte einige Sekunden nichts hervorbringen.
    »Heuschrecken«, sagte ich noch einmal, um ihn wieder auf den Boden zu holen.
    Er verschränkte die Arme und wandte mit zusammengezogenen Brauen den Blick ab. »Wie kann man einen ganzen Planeten quer durchs Sonnensystem hindurch kontrollieren? Man bestückt ihn mit Nano-Produktionsstätten, die jede Menge automatischer Waffen, sich selbst steuernde Kriegsroboter herstellen können. Der Boden des Mars mit seinem hohen Gehalt von Silikat, Aluminium und Eisen ist dafür geradezu ideal. Dann sucht man sich alte Bergwerke oder stillgelegte Minen, die immer noch reich an Basismineralien sind. Man kann sie als Experimentierfeld und Versteck nutzen, ohne damit Alarm auszulösen. Man kann die Samen für solche Nano-Produktionsstätten sogar aus der Umlaufbahn auf den Mars bringen. Ein einziges kleines Raumschiff könnte es bewerkstelligen. Gegen eine solche Abscheulichkeit können wir uns überhaupt nicht verteidigen.«
    Mir fiel Cailetets Versuch ein, seine Schürfrechte auszudehnen. Als habe Crown Niger uns warnen wollen und ein letztes Mal die Ehrenfahne gehisst, ehe er sich selbst der Erde auf einem Silbertablett darbrachte – als einziger, der auf dem besiegten Mars politisch überlebt hatte.
    Ich fragte mich, ob Stan und Jane überhaupt noch am Leben waren. »Wir könnten die Heuschrecken bekämpfen«, schlug ich vor.
    »Wir haben nicht einmal annähernd die Mittel, die ganzen Produktionsstätten zu zerstören«, entgegnete er. »Der Einsatz von Heuschrecken ist in einem von allen Nationen und Bündnissen unterzeichneten Waffensperrvertrag ausdrücklich verboten worden.«
    »Und wir waren zu jung und naiv, um an eine Verteidigung zu denken.«
    »Rein theoretisch«, sagte Jack, »könnten unsere Wissenschaftler gemeinsam eine Abwehr aufbauen. Eine Seuche auf Nano-Ebene entwickeln. Aber wenn die Heuschrecken nach Plänen der Erde konstruiert sind, dann …« Er brach ab.
    Aber wir hatten ja Abwehrwaffen, und sie waren selbst so schrecklich, dass sie die Erde provoziert hatten … Extreme Waffen, die extreme Schritte ausgelöst hatten. Die Zukunft kam mir nicht nur gefährlich und trübe, sondern unbegreiflich vor.
    Dandy verließ kurz den Führerstand, um uns mitzuteilen, dass die vor uns liegende Strecke auf fünfhundert Kilometer frei sei. Jack und ich erzählten ihm von der Warnung vor Heuschrecken. Sein Gesicht wurde aschfahl. Keinem von beiden erzählte ich von Ti Sandras bevorstehendem Tod.
    Jack löste Dandy am Führerstand ab, der Zug raste weiter über den Mars. Wir umfuhren die unwegsamen Gebiete hundert Kilometer südlich von Mariner Valley und Eos Chasma.
    Ich hatte mich noch nie so von der Welt abgeschnitten und von Stille eingehüllt gefühlt. Auf einer kurvigen Strecke konnte ich die schwache Vibration des Zuges spüren. Dandy schlief unruhig, er hatte sich gegen die Kabinenwand gelehnt und die in Stiefeln steckenden Füße wie ein Junge von sich gestreckt.
    In den folgenden Stunden befasste ich mich mit den auf meinem VIP-Kom verfügbaren Plänen für einen Notfall. Keiner schien nützlich oder auch nur praktikabel zu sein. Keiner trug den Heuschrecken oder den Olympiern Rechnung. Diejenigen, die die Pläne ausgearbeitet hatten, konnten von den Olympiern nichts wissen. Und die Marsianer waren zu vertrauensselig gewesen, um Mutter Erde das Schlimmste zu unterstellen.
    Wie viele Marsianer würden jetzt tapfer und arglos sterben?
    Für wie viele Tode konnten Ti Sandra und ich die Verantwortung übernehmen?
    Ich starrte aus der Luke. Die Sterne am Nachthimmel über dem Mars hatten ihr Echo im Sand – piezoelektrische Blitze, als sich das Geröll nach der milden Wärme des Tages abkühlte, zusammenzog und Funken wie Tausende winziger Glühwürmchen aufstoben. Ich schaltete die Innenbeleuchtung der Kabine aus, um sie besser sehen zu können, und drückte mein gepanzertes

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