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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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und Scheinwerfer jedoch ausgeschaltet. Wir rollten aus dem Schuppen. Dandy, der im Führersitz Platz genommen hatte, übernahm die erste Wache.
    Ich wollte nicht nach Many Hills, aber ihre Argumente waren nicht zu widerlegen. Unbeladen und ohne Anhänger konnte der Zug auf gerader Strecke bis zu vierhundert Stundenkilometer schaffen. Die Fahrt würde trotzdem mindestens fünfzehn Stunden dauern.
    Mit so großer Verantwortung beladen, fern von Ti Sandra und womöglich auf Tage von jedem Kontakt mit ihr abgeschnitten, fühlte ich mich wie ein verlorenes Kind. Die meiste Zeit über schwieg ich und lag in dem winzigen Abteil auf einem harten Feldbett, das den üblichen, noch aus vergangenen Jahrhunderten stammenden Ausdruck ›auf Federn gebettet‹ Lügen strafte.
    Jack Wasilkowskij saß mit undurchdringlicher Miene auf einem Klappsitz. Wenn es nötig war, würde er sein Leben für mich opfern. Und töten.
    Ich hatte solche Dinge schon früher durchdacht, aber nie mit solcher Intensität und Dringlichkeit. Ich war nicht mehr schlicht Casseia Majumdar oder die Vizepräsidentin. Ich war das Aushängeschild der Republik, bis Ti Sandra ohne Risiko wieder auftauchen konnte.
    In wenigen Stunden würde ich die von unseren Verteidigungs- und Sicherheitsstäben ausgearbeiteten Notstandspläne überprüfen. Und kurz danach, ob ich nun mit Ti Sandra gesprochen hatte oder nicht, jemandem gegenüberstehen, der die Erde vertrat. Wem? Und welche Forderungen würde er überbringen?
    Die winzige Luke des Abteils gab kleine Ausschnitte des rosa Himmels frei, der sich jetzt verdunkelte. Es dämmerte. Das Rosa verwandelte sich in tiefes, sternenübersätes Braun. Am Horizont blitzte plötzlich ein blasses Blau auf, wie ich es noch nie in der Natur erlebt hatte. Dann kam, schwarz und kalt, die Nacht.
    Im Abteil roch es nach abgestandenem Nano und nach Staub. Der Führungswagen flog geräuschlos auf gerader Strecke dahin. Vielleicht waren andere Züge auf den Gleisen liegengeblieben, als ihre Computer aufgrund der gnadenlosen irdischen Evolvons abgestürzt waren. Jack sah aus, als sei er bereit, solche Züge von der Strecke zu fegen – aber dann merkte ich, dass ich mir mehr Gedanken als er und Dandy machte. Sie würden einfach den nächsten Zug in Beschlag nehmen und die gestrandeten Passagiere ihrem Schicksal überlassen.
    Seltsamerweise wurde mir erst jetzt klar, dass diese Ereignisse historisches Ausmaß annehmen würden. Unabhängig davon, ob wir die Wahl gewinnen oder verlieren würden: Der Anschlag auf die marsianische Führungsspitze – die Präsidentin, der Vizepräsidentin und wahrscheinlich auch die Bezirksgouverneure – würde zur marsianischen Legende werden. Intrigen, Ablenkungsmanöver, Shuttleflüge und nächtliche Zugfahrten inklusive.
    Jacks Kom meldete sich, eine weitere verschlüsselte Mitteilung traf ein. »Noch ein Knüller«, sagte er trocken. »Point One funktioniert noch. Aber unsere Satellitensender holen sie ebenso schnell wieder runter, wie wir sie einrichten. Die wollen uns wohl wirklich Angst einjagen.«
    »Was ist das für eine Mitteilung?«, fragte ich und stand vom Feldbett auf.
    »Ich habe hier etwas von der Präsidentin, das nur für Ihre Augen bestimmt ist. Und Angaben zu der Person, mit der wir in Many Hills reden werden. Cailetet funktioniert anscheinend noch, vielleicht auch ein paar kleinere abtrünnige BGs. Sonst ist alles lahmgelegt.«
    Er überspielte mir Ti Sandras Mitteilung auf mein Kom. Die Nachricht bestand nur aus Worten und einem Bild.
     
    »Liebste Casseia,
    du bist jetzt die Verhandlungsführerin. Die Erde spricht durch ein gleichgesinntes Sprachrohr mit uns – durch Cailetet. Man hat uns mitgeteilt, dass du mit einem von Crown Niger ausgewählten Unterhändler zusammentreffen wirst. Die Erde hat Angst. Irgendein Eingeweihter hat geplaudert. Zenger? Die Olympier sind alle untergetaucht. Ich habe C.F. Anweisungen gegeben, die so brisant sind, dass ich dich hier und jetzt nicht einweihen kann. Sag, was immer nötig ist, um die Dinge auf dem Mars wieder ins Lot zu bringen. Aber in den kommenden Monaten oder vielleicht auch Jahren haben wir die Trümpfe in der Hand. Bei deiner Ankunft wirst du von meinem Tod erfahren. Ich liebe dich und vertraue dir unser Kind an. Wir werden erst dann miteinander sprechen, wenn wir den Kampf wieder aufgenommen haben. Im Boden sind Heuschrecken.«
     
    Dem Text folgte ein kleines Bild von Ti Sandra. Sie lächelte, wirkte aber abgehärmt. Ich gab den Befehl

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