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Heimkehr

Heimkehr

Titel: Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Bach
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Dasein oder uns selbst ein wenig verändert.«
    »Du sprichst wie ein Erwachsener«, bemerkte er bitter. »Also hat nichts eine Bedeutung?«
    »Doch, wenn es dich dadurch in deinem Bewußtsein weiterbringt. Den Wasserturm zu besteigen bedeutet eigentlich nichts. Es wird erst wichtig, wenn du dem Vorgang eine Bedeutung beimißt. Nimmst du es als Lehre, in dieser Höhe festzukleben und Angst zu haben, dann ändert sich etwas in deinem Leben. ›Eine Zukunft in den Lüften? Alles, nur das nicht, jedenfalls nicht für mich. Niemals wieder hoch hinaus. Danke vielmals.‹«
    »Diese Entscheidung«, fuhr ich dann fort, »und damit diese Lektion macht zehntausend Entscheidungen in der Zukunft wahrscheinlicher für dich, und das wiederum eröffnet zehntausend weitere Möglichkeiten, einschließlich des Weges, den ich konkret gegangen bin. Keine Höhe hätte bedeutet keine Flugzeuge, das hätte bedeutet keine Flüge, das hätte bedeutet kein Gleitschirmsegeln, das wiederum keinen Shepherd und das wieder keine Erinnerung an Dickie und das kein öffnen der Zelle, und das wiederum hieße, daß wir beide nicht hier in der Mitte des Sees unserer Erinnerungen säßen.«
    Er lächelte ein wenig. »Du hast dich offensichtlich dagegen entschieden, daß Höhe immer mit Schrecken gleichzusetzen ist?«
    »Sehr schön, Dickie. Hoch oben auf der Leiter war die Angst nicht so groß wie das ERSTAUNEN , daß ich es geschafft hatte. Was ich für mein Leben dabei gelernt habe, heißt ganz einfach: Überwinde die Angst, bewahre das Staunen. Das ist meine Wahrheit.«
    Ich beobachtete seine Augen. »Du bist der einzige Mensch, der entscheiden kann, ob meine Wahrheit auch für dich wahr ist, oder ob sie Unsinn darstellt. Die Grundsätze, die mir wichtig sind, die höchsten Werte, die ich kenne, sind für dich nur Vorschläge, sie sind nur Möglichkeiten. Du kannst wählen, denn du mußt mit den Konsequenzen leben. Jedes Ja oder auch Nein gehört zu der Schule des Lebens, die später deine persönlichen Erfahrungen ausmacht.«
    Ich hatte angenommen, daß ihn meine inhaltsschweren Gedanken und Worte zu längerem Nachdenken zwingen würden, aber sofort beugte er sich nach vorn wie ein Läufer im Startloch. »In den fünfzig Jahren hast du also herausgefunden – für dich allein selbstverständlich —, was das alles bedeutet und was der Sinn des Lebens ist?«
    »Größtenteils ja«, antwortete ich bescheiden.

16
     
    Seit dieser verrückte Shepherd mir von diesem Buch für den Jungen, der ich einmal gewesen, erzählt hatte, war ich latent immer mit dieser Idee beschäftigt, zögerte aber die Arbeit damit hinaus.
    »Sag es ohne Umschweife!« forderte Dickie mich auf. Schwang da Furcht in seiner Stimme mit? Vielleicht würde sein sehnlichster Wunsch in Erfüllung gehen — er würde alles erfahren, aber es wäre so kompliziert, daß er es nicht begreifen könnte.
    Ich hatte schon oft versucht, mein Weltbild zu erläutern, aber leider ohne großen Erfolg. Zuerst mußte man doch ein bißchen theoretisch ausholen, um zu erklären, wie alles anfing. Aber jedes Mal, wenn ich meine geistigen Grundlagen vor ihnen ausbreitete, blickten meine Zuhörer nach zwei bis drei Stunden unweigerlich wie versteinerte Statuen, den leeren Blick in die Ferne geheftet. Und wenn ich dann zum interessanteren Teil meines Vertrages kam, hatten sie sich schon alle lautlos davongeschlichen.
    Bei Dickie allerdings würde es anders sein. Was mich persönlich faszinierte, habe ich noch in jedem Lebensalter verstanden.
    »Um deinen Lebensweg auf dieser Erde zu finden«, begann ich meine Ausführungen und setzte mich dazu auf den Wüstenboden, »mußt du zweierlei Dinge beherrschen: Die Kraft der Zustimmung und das Streben nach Glück. Aber bevor du diese Dinge begreifst, ist es für dich zuerst notwendig, die Prinzipien des Universums an sich zu begreifen und zu verstehen. Es ist ganz einfach: Drei Worte: Das Leben existiert. Alles andere ergibt sich dann daraus: Ich nenne es einen logischen Wasserfall. Auf diesem Weg…«
    Er kniete auf der Erde, seine Augen waren fast in Blickhöhe mit meinen. »Wie ist das, wenn man alt ist?«
    »Wie bitte?« fragte ich irritiert. Hatte dieses schlaue Kind meinen Ausführungen nicht folgen können?
    »Ich will ja nur wissen, wie das ist.« Er blieb bei seinem Thema. »Ich meine, wenn man alt ist.«
    Ich schluckte kurz. »Wollten wir uns nicht darüber unterhalten, warum das Universum existiert?«
    »Das war dein Thema«, erwiderte er ungerührt.

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