Heimkehr am Morgen (German Edition)
erneut über die Absurdität des Ganzen.
»Da hast du verdammt recht, das hat er«, stimmte Pop ihm zu. »Dieser Bill Cody hat eine erstklassige Show geboten, mit Annie Oakley und all den anderen.«
»Ja, ja. Und als du diesen Trick zu Hause nachmachen wolltest, hast du Ärger mit Susannah bekommen, weil dein Kopfkissen ganz grau von dem Dreck in deinen Haaren war. Du musstest dir den Kopf schrubben, bis die Kopfhaut rosa war.«
Pop blickte finster drein. »Es ist ein Wunder, dass ich nach dieser Behandlung überhaupt noch ein Haar auf dem Kopf habe.«
»Du hast noch jede Menge.«
»Tja, Frauen waschen sich die Haare, und die werden nicht kahl«, wandte Elvin ein.
»Stimmt, und dabei waschen manche sie zweimal die Woche«, fügte Bauer hinzu. »Oder noch öfter.«
Die Tür des Saloons öffnete sich, und Cole hoffte, mit dem feuchten Luftschwall würde auch frischer Wind in diese dümmliche Unterhaltung kommen. Doch als er aufblickte, stand Susannah in der Tür. Sie trug immer noch Reitrock und Arbeitshandschuhe.
Elvin nickte. »Vielleicht hat das Waschen gar nichts damit zu tun, dass …« Als er sie sah, brach er ab, und auch sonst sagte niemand mehr ein Wort.
Zwei Frauen bei Tilly’s in ebenso vielen Monaten. So etwas hatte es noch nie gegeben.
Cole fuhr hoch, wobei er den Stuhl umkippte. Mit ihr stimmte etwas nicht. Ganz und gar nicht. Ein unerklärliches Schaudern durchlief ihn, und ihm stellten sich sämtliche Haare auf. Tanner gegenüber am Tisch stand ebenfalls auf, plötzlich in Alarmbereitschaft.
Cole hatte nur Augen für Susannahs kreidebleiches Gesicht. Er durchmaß die wenigen Meter, die sie trennten. »Was ist los?«
Sie sah ihn an, als hätte sie einen Schlag auf den Rücken bekommen und sich noch nicht von diesem Überraschungsangriff erholt. Ihr Mund bewegte sich, aber es kamen keine Worte heraus.
»Susannah!« Er streckte die Hand aus und packte sie am Armgelenk.
Schließlich hielt sie ihm ein zerknülltes Stück Papier hin. Zögernd nahm er es und strich es glatt.
Es war ein Telegramm. Oh Gott, dachte er, Telegramme hatten ihm noch nie gute Nachrichten gebracht. Noch nie. Er las die Worte zweimal, dann las er sie noch einmal.
MRS. SUSANNAH BRADDOCK
RTE 3
POWELL SPRINGS ORE
MIT GRÖSSTEM BEDAUERN TEILEN WIR IHNEN MIT, DASS SERGEANT RILEY BRADDOCK, INFANTERIST, LAUT OFFIZIELLEM BERICHT AM 11. OKTOBER IM FELD GEFALLEN IST.
M. MORRIS, STELLVERTRETENDER ADJUTANT GENERAL.
Cole drehte das Blatt um, als würde auf der Rückseite eine bessere Erklärung stehen, ein Beweis dafür, dass es nur ein grausamer, schrecklicher Scherz war. Aber da stand nichts.
»Oh mein Gott.« Coles Kehle war so eng und trocken wie ein alter Lederhandschuh. Seine Augen brannten, als er auf die unpersönlichen Worte starrte, die der Telegrafist geschrieben hatte. »Um Gottes willen.«
»Wo sind die Jungs?«, erkundigte sich Tanner und warf einen kurzen Blick in Bauers Richtung.
»Zu Hause.« Susannahs Stimme war nur mehr ein Krächzen. Sie ließ den Kopf hängen, sodass der feuchte Niederschlag auf ihrem Haar im Gaslicht des Saloons wie kleine Glasperlen funkelte. Ein ersticktes Schluchzen entrang sich ihrer Brust.
»Was ist denn los?« fragte Pop. »Haben sie dir auf dem Bahnhof etwa das Leben schwergemacht?« Cole sah zu seinem Vater, der sie verwirrt und noch in seliger Unwissenheit anblickte.
Cole fühlte sich so starr und leblos wie ein Automat. Er legte Susannah den Arm um die Schulter und machte den beidenanderen ein Zeichen, mit nach draußen zu kommen. »Wir müssen gehen. Jetzt gleich.« Sein brüsker Ton ließ keinen Raum für Widerworte.
Krieg ist Männersache, und ein Mann tut, was getan werden muss.
Er fragte sich, was jetzt allerdings völlig belanglos war, ob Pop diese knallharte Philosophie immer noch unterschreiben würde, nachdem er erfahren hatte, dass sein ältester Sohn auf einem Schlachtfeld in Frankreich gestorben war.
Kapitel 19
Die Nachricht von Riley Braddocks Tod überschattete Powell Springs wie die dunklen Schwingen einer unheimlichen, mondlosen Nacht. Sie verbreitete sich im Flüsterton von Nachbar zu Nachbar, durch Hintertüren und Glasveranden und über das Telefon, trotz der Epidemie, die immer noch den Großteil der Stadt in die Knie zwang. Der
Powell Springs Star
brachte Rileys Nachruf auf der ersten Seite. Er war der dritte tote Soldat aus Powell Springs, wenngleich Eddie Cookson, der einem anderen Feind erlegen war, den Pazifischen Nordwesten nie verlassen
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