Heimkehr am Morgen (German Edition)
planst.«
»Wie bitte?« Sie sah ihn fragend an, was Cole an Roscoe erinnerte, wenn der Hund ihn zu verstehen versuchte.
Aber erfreulicherweise war sie immerhin so weit genesen, dass sie ihm zuhören konnte. Er griff in seine Hemdtasche und zog ein weiteres Mal das Telegramm heraus, das Jess unter seinem Namen bekommen hatte. Er hatte es an jenem Abend, als er ihr den wahren Absender genannt hatte, wieder an sich genommen. Außerdem holte er Leroys eidesstattliche Erklärung hervor. »Ich muss dir etwas zeigen.«
Amys Miene blieb unverändert. »Ach Cole, mein armer Schatz. Ich weiß, was du durchmachst, was jeder von euch durchmacht.« So ungerecht es sein mochte, aber er nahm ihr jetzt nichts mehr ab, auch wenn sie noch so aufrichtig klang. »Du musst dir das wirklich nicht antun, mir das Telegramm mit der Nachricht von Rileys Tod zu zeigen.«
Er faltete die Mitteilung auseinander und hielt sie hoch, damit sie sie lesen konnte. »Es geht nicht um meinen Bruder. Das ist das Telegramm, das Jessica vor gut einem Jahr von mir bekommen hat.
Angeblich
von mir. Ich habe es nämlich nicht geschickt.«
Ihre feinen Brauen zogen sich zusammen und sie verschränkte die Hände über ihrem Buch. »Das verstehe ich nicht.«
»Hmm. Vielleicht hilft dir das weiter. Das hier«, fuhr er fort und entfaltete das Schreiben des Telegrafisten, »ist eine Erklärung von Leroy Fenton, in der steht, wer das Telegramm aufgegeben hat.« Er hielt die Blätter hoch.
Sie nahm sie entgegen und las beide. Muskeln zuckten in ihrem Gesicht, und sie wagte nicht ihn anzusehen. »Das glaubst du doch wohl nicht, oder?«
Er wollte sich nicht noch einmal das ganze Blabla über ihre blütenweiße Unschuld und ihr reines Herz anhören. Das hatte Jessica ihm bereits alles heruntergeleiert, bevor er sie von der Wahrheit überzeugt hatte. Er beugte sich näher und stellte seine Ellbogen auf die Knie, wodurch er sie zwang, ihn anzusehen. Mit leiser, kontrollierter Stimme sagte er: »Amy, ich werde dich nicht heiraten. Ich liebe dich nicht.« Sie starrte ihn mit offenem Mund und großen Augen an. »Ich habe immer Jessica geliebt, und du hast uns beiden einen ganz gemeinen, hinterhältigen Streich gespielt.Du wolltest uns auseinanderbringen, und ich nehme einen Teil der Schuld auf mich – ich hätte dir nie den Hof machen dürfen. Ich wünschte, ich wäre stärker gewesen, und für diesen Fehler muss ich mich bei dir entschuldigen. Aber es ist nur einem Zufall zu verdanken, dass ich von deiner Intrige erfahren habe, ehe es zu spät war. Der Tod meines Bruders hat mir gezeigt, dass unsere Zeit auf Erden zu kurz ist, um sie mit falschen Entscheidungen zu verschwenden. Du kannst dein Leben verbringen, wie du willst, aber du wirst es nicht mit mir verbringen.«
Er riss die Papiere aus Amys Hand, stand auf und marschierte davon. Bei Jessica, die mit unergründlicher Miene in der Nähe wartete, blieb er stehen. Er küsste sie auf die Wange und sagte: »Ich melde mich in ein oder zwei Tagen bei dir.«
Granny Mae kam mit einem Stapel Handtüchern vorbei und sah sie dabei durchdringend an, sagte jedoch nichts.
Ein schrilles Kreischen kam von Amys Bett. »
Cole
! Komm zurück!« Alle wachen Augen in Blickweite starrten ihn an, aber er ging einfach weiter.
Er schob sich durch die Tür nach draußen, wo Sage angebunden war und geduldig auf ihn wartete. Obwohl er Riley verloren hatte und trotz allem, was passiert war, nahm ein merkwürdiges Gefühl der Befreiung einen Teil der Last von seinen Schultern. Er schwang sich aufs Pferd und ritt in Richtung Farm.
Jessica trat an das Bett ihrer Schwester. Jetzt, da Cole sie mit den Tatsachen konfrontiert hatte, konnte sie es auch nicht länger aufschieben, Amy gegenüberzutreten. Ihre Schwester hatte bereits einen Fuß auf dem Boden und wollte aufstehen.
»Ich denke, du solltest noch eine Weile hierbleiben.«
Unfähig zu widersprechen, sank Amy zurück aufs Bett. Sie keuchte vor Anstrengung, doch in ihren schmalen Augen lag Feindseligkeit, als sie Jessica prüfend musterte. Es erinnerte Jessica an ihr letztes, hasserfülltes Zusammentreffen in ihrer Praxis, als Amys Krankheit gerade ausgebrochen war. Amys Gesicht war fleckig und nass von zornigen Tränen. Jessica erwartete fast, sie würde gleich die Zähne fletschen. »Du … du musst dich ja wahnsinnigfreuen. Du hast wieder einmal deinen Willen bekommen, Jessica. Ich hoffe, du bist glücklich.«
Jessica setzte sich auf den Hocker, den Cole kurz zuvor freigemacht
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