Heimkehr am Morgen (German Edition)
Gebrauch davon zu machen.« In seiner tiefen, polternden Stimme lag ein scherzhafter Ton, aber trotzdem …
»Kommst du in einer dienstlichen Angelegenheit, Whit?«
»Nein, nein, Em, nichts dergleichen. Und es hat auch nichts mit
deinen
Geschäften zu tun. Ich möchte mich nur einen Augenblick unterhalten.«
Vorsichtig öffnete sie die Tür und spähte über seine Schulter und nach links und rechts. Sie sah nichts außer dem nassen, grauen Tag und dem Unkrautgestrüpp im Vorgarten. »Na schön. Komm rein.«
Als er eintrat, ließ seine hochaufgeschossene Gestalt die kleine Hütte noch winziger erscheinen. »Zuerst möchte ich mich noch einmal wegen der Sache mit Bauer entschuldigen. Ich hätte wissen sollen, dass er nichts Gutes im Schilde führt, als ich ihn hierher begleitet habe.«
Sie stellte die Flinte zurück an ihren Platz neben der Tür und winkte ihn zum Tisch. »Ich mache dir keine Vorwürfe, Whit«, meinte sie mit einem angedeuteten Lächeln. »Zumindest keine allzu schweren. Lambert hat ja angekündigt, er würde es mich büßen lassen.«
Er nahm auf dem Stuhl ihr gegenüber Platz und legte den Fuß auf dem Knie ab. »Tja, ich dachte, du würdest gern erfahren, dass er dich eine ganze Weile lang nicht mehr belästigen wird. Später am selben Abend hat er sich mit dem Mann, den du als Frank Meadows kennst, bei einer Bürgerversammlung angelegt, und da habe ich ihn wegen Trunkenheit und Erregung öffentlichen Ärgernisses eingesperrt. Als ich ihn durchsuchte, fand ich wertvollen Schmuck bei ihm, dessen Herkunft er nicht erklären konnte. Er war ziemlich aufsässig, bis er sich in meiner Zelle ein wenig ausgenüchtert hatte. Schließlich gab er zu, dass er den Schmuck Verstorbenen abgenommen hatte, bevor er sie begrub. Er meinte, dort, wohin sie gingen, hätten sie ohnehin keine Verwendung dafür.«
Sie schüttelte den Kopf und nahm die brennende Zigarette von der Untertasse. »Mein Gott, ich kann nicht glauben, dass ich mit dem Mann mal etwas zu tun hatte.«
»Es wird eine Zeit lang dauern, bis ich die Besitzer ermittelt habe. Außerdem habe ich noch etwas bei ihm gefunden, das duwahrscheinlich gut gebrauchen kannst.« Argwöhnisch und beklommen sah sie ihn an. Er griff in seine Tasche und zog eine Rolle Dollarnoten heraus. »Das sind ungefähr hundert Dollar. Ich dachte, du kannst mehr damit anfangen als er.«
Sie starrte auf die Rolle. »Aber ist das – ist das legal? Kannst du ihm das einfach abnehmen, ohne Ärger zu bekommen?«
»Nein, ist es nicht, und ja, ich kann. Wie bereits gesagt, hier vertrete ich das Gesetz, und Bauer steckt so tief im Schlamassel, dass er wegen des Geldes keinen Ärger machen wird.« Er schob es ihr über die verblichene Wachstuchdecke zu.
»Danke, Whit«, sagte sie, als sie es mit einem Lächeln entgegennahm.
Er beäugte sie schelmisch. »Ich wusste ja gar nicht, dass du Grübchen hast, Emmaline.«
Sie senkte den Kopf und grinste noch breiter. »Die sieht man nur, wenn ich lächle.«
»Dann bin ich ja froh, dass ich dir Anlass zum Lächeln gegeben habe. Oh, und falls es dich interessiert, Frank Meadows heißt in Wirklichkeit Adam Jacobsen. Er war der Pfarrer von Powell Springs, aber ich glaube, viele Menschen sind froh, dass er von seinem hohen Ross gestürzt ist. Er hat sie nämlich bei der Regierung angeschwärzt.« Er spielte mit der Streichholzschachtel, die neben der als Aschenbecher benutzten Untertasse lag. »Bauer war derjenige, der ihn bei der Bürgerversammlung verpfiffen hat, vielleicht ist also doch noch was Gutes bei der ganzen Sache herausgekommen.«
»Jacobsen – mir hat er erzählt, er handle mit Traktoren. Ich hatte immer den Eindruck, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Allerdings habe ich vermutet, er wäre verheiratet.«
»Nein, verheiratet ist er nicht, aber eben auch nicht der ehrenwerte Geistliche, den er gespielt hat.«
Em zog die Brauen nach oben. »Und die Menschen halten das, was
ich
tue, für schlecht.«
Whit schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Tja, ich muss los. Auch wenn die Grippeepidemie allmählich abflaut, ist hier immer irgendetwas los, um das ich mich kümmern muss. Ich dachtenur, du wüsstest gern Bescheid. Und könntest ein bisschen Geld gebrauchen als Ausgleich für all die Schwierigkeiten, die dir dein Ehemann gemacht hat. Vielleicht kannst du jetzt die Scheidung einreichen und einen endgültigen Schlussstrich ziehen.«
Wieder lächelte sie. »Ja, vielleicht.« Sie brachte ihn zur Tür. »Du bist ein guter
Weitere Kostenlose Bücher