Heimkehr am Morgen (German Edition)
verkaufen?«
Er warf ihr über die Schulter einen Blick zu. Auf den Ellbogen gestützt betrachtete sie das verwahrloste, zwei Hektar große Grundstück vor dem Fenster. Das Gelände war von wilden Rosen und Brombeergestrüpp überwuchert, das die Hütte fast gänzlich umschloss.
»Ich bin nicht verheiratet. Das weißt du doch, Em.«
Sie lachte, aber es klang nicht fröhlich. »Keine Sorge. Selbst wenn, besteht wohl kaum die Gefahr, dass sie das mit mir rausfindet.« Die Augen auf ihn gerichtet ließ sie die Hand durch ihr langes Haar gleiten. »Außer du erzählst es ihr.«
»Ich bin nicht verheiratet«, wiederholte er. »Wenn ich es wäre, dann würde ich nicht …« Er beendete den Satz nicht.
»Ja, ja, ich weiß. Dann wärst du nicht hier. Sei dir da mal bloß nicht so sicher. Hier gehen ständig verheiratete Männer ein undaus. Sie müssen mir gar nichts erklären, aber manche tun es trotzdem. Und andere beschweren sich die ganze Zeit über ihre Frauen. Glaub mir, ich kann dir ein Lied davon singen.« Sie zuckte die nackten Schultern. »Wahrscheinlich hat mein Mann einer anderen Frau genau dasselbe erzählt, nachdem er ohne ein Wort abgehauen ist.«
Er stand auf, zog seine Hose hoch und begann sie zuzuknöpfen. »Wie lang ist er schon weg?«
Sie seufzte. »Fünf Jahre sind’s jetzt.«
»Und du hast nie wieder von ihm gehört?«
»Nein, und ich bin froh, dass ich ihn los bin.«
»Aber du bist immer noch mit ihm verheiratet?«
»Was mich betrifft, nicht. Außerdem weiß er sowieso nicht, wo ich bin. Und für mich könnte er genauso gut tot sein. Das würde mich nicht wundern. Er war die Sorte Mann, die andere zur Weißglut treiben konnte.«
Er schaute in den halbblinden Spiegel über ihrer Frisierkommode und kämmte sich das Haar mit den Fingern. Er war jung, um einiges jünger als sie mit ihren vierzig Jahren. »Womit hat er sein Geld verdient?«
»Lambert?« Nun klang ihr Lachen rau und ungläubig, und die Bettfedern unter ihr quietschten. »Lamberts Vorstellung von Arbeit bestand darin, auf jede erdenkliche Art das schnelle Geld zu machen, und mit dem Gesetz hat er’s dabei nicht so genau genommen. Er war fest davon überzeugt, gleich hinter der nächsten Ecke warte das ganz große Ding auf ihn, und ich war dabei nur ein Klotz am Bein. Also ist er abgehauen und hat mich drüben in Parkridge mit zwei kleinen Kindern und einem Pappkoffer sitzen gelassen.«
Er drehte sich zu ihr um und starrte sie mit gelindem Entsetzen an. »Du hast
Kinder?
Wo sind die denn?«
Ach verflixt, sie hatte nicht vorgehabt, die Jungen zu erwähnen. Sie bemühte sich, jeden Gedanken an sie zu verdrängen, denn es tat ihr in der Seele weh, aber vergeblich. Plötzlich fühlte sie sich nackt und verletzlich. Sie stand auf und wickelte sich in einen ausgebleichtenMorgenmantel, der am Fußende des Bettes gelegen hatte. »Jedenfalls nicht hier, falls dich das beschäftigt.«
»Aber siehst du sie denn ab und zu?«
Sie presste die Lippen aufeinander. »Du stellst ganz schön viele Fragen heute, hm? Das ist meine Sache und hat mit dir oder sonst jemandem nichts zu tun.«
Amüsiert beobachtete sie, wie Frank doch tatsächlich bis zu den Ohren errötete. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Sie kannte seinen Namen, Frank Meadows, und wusste, dass er in der Nähe wohnte, in Twelve Mile, wo er mit John-Deere-Traktoren handelte. Zumindest hatte er ihr das erzählt. Doch sie hatte ihn nie auf der Straße getroffen, wenn sie auf ihrer müden, klapprigen Mähre zum Einkaufen in die Stadt ritt. Twelve Mile war zwar nicht gerade ein Dorf, aber auch nicht so groß, dass man sich nicht ab und zu über den Weg gelaufen wäre.
Immerhin hatte ihr das Gewerbe, dem sie gezwungenermaßen nachging, eine gute Menschenkenntnis beschert. Er war freundlich und hatte gute Manieren, aber sie konnte ihn sich nicht bei der Arbeit vorstellen, wie er mit seinem feinen Anzug und nach Haaröl duftend auf einem Acker stand, knöcheltief in Erde und Mist, und mit den Farmern über die Ernte plauderte. Was seine Person betraf, war er so zugeknöpft, dass er garantiert verheiratet war, ganz gleich, was er sagte.
»Ich wollte nicht neugierig sein, Em.« Er fischte umständlich fünf Dollar aus der Hosentasche und legte sie auf die schäbige Frisierkommode.
Es war mehr als ihr üblicher Tarif, aber sie schlug es nicht aus. Auch wenn sie ihr Häuschen so sauber und ordentlich wie möglich hielt, blieb es immer noch eine winzige Hütte mit zwei Kammern,
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