Heimkehr am Morgen (German Edition)
ausgestattet mit ausrangierten, zusammengewürfelten Möbeln. Es war keine Decke eingezogen, und durch die offenliegenden Dachbalken sah man die nackten Ziegel, hie und da ausgebessert mit wasserfleckiger Teerpappe. Der Moosteppich auf dem Dach half auch nicht gerade, die Löcher abzudichten. Im Winter war es hier so kalt wie in einer Gruft. Der Besitzer, ein Arzt aus Powell Springsund ehemaliger Kunde von ihr, verlangte keine Miete. Er hatte ihr erzählt, er habe das Häuschen in jungen Jahren als Jagdhütte genutzt.
Für Emmaline hatte er einige Verbesserungen vorgenommen, einen neuen Ofen gekauft und versprochen, die Mängel zu beheben. Doch dann hatte sie von seinem Tod erfahren. Niemand hatte Anspruch auf das Häuschen erhoben oder sie hinausgeworfen, daher betrachtete sie es nun als ihr Eigentum. Trotzdem, es war eine Bruchbude.
Sie schnappte sich das Geld und steckte es ein. »Schon gut.«
Routinemäßig hob sie die dünne Steppdecke mit dem schmuddeligen Bezug an, um sich ein Bild vom Zustand des Lakens darunter zu machen. Sie entschied, dass es noch einmal zu gebrauchen war, griff nach dem Zerstäuber auf dem Fensterbrett und besprühte das raue, graustichige Bettlaken mit billigem Rosenwasser, ehe sie es für den nächsten Mann, der an ihre Tür klopfen würde, glattzog und das Kissen aufschüttelte. So sehr sie das Geld auch nötig hatte, sie hoffte, dass heute keiner mehr auftauchen würde. Sie war müde und hatte Kopfschmerzen.
»Ich habe Kaninchenragout auf dem Herd, falls du noch zum Essen bleiben möchtest.« Die Worte waren heraus, bevor sie wusste, wie ihr geschah. Noch nie hatte sie jemanden eingeladen zu bleiben. Aber manchmal konnte sie die seelenzermürbende, verfluchte Einsamkeit ihres Daseins einfach nicht ertragen.
Wieder zeigte sich ein erstaunter Ausdruck auf seinen weichen Zügen, diesmal noch ausgeprägter. »Oh nein, ich habe noch … zu tun. Geschäftsbesuche. Ich bin nur kurz vorbeigekommen … wie dem auch sei, ich muss los.« Er packte seinen Mantel und langte nach dem Türknauf.
Sie nickte und befühlte das Geld in der Tasche ihres Morgenmantels. »Gut, also dann … Bis zum nächsten Mal, Frank.« Stumm betrachtete er sie einen Augenblick, als wollte er noch etwas sagen. Doch stattdessen öffnete er die Tür und war auch schon draußen.
Emmaline verharrte, bis sie die Pferdehufe und die Wagenräder auf dem langen Feldweg, der zur Hauptstraße führte, klappernhörte. Während sie so dastand, erhaschte sie ihr Bild in dem trüben Spiegel der Frisierkommode. Seit wann war ihr rotes Haar von so vielen grauen Strähnen durchzogen? Das Geräusch der Wagenräder verklang. Sie setzte sich an ihren winzigen Küchentisch und starrte auf das Geld in ihrer Hand, bis die Sonnenstrahlen durch die Wipfel der hohen Bäume drangen, die ihr Grundstück auf dem Butler Hill umstanden.
Kapitel 4
»Corporal Braddock, mein Bester, hätten Sie vielleicht ein Streichholz für mich?«
Riley Braddock blickte nach links, in die Richtung, aus der die Bitte gekommen war. Es war jedoch sinnlos. In solch einer schwarzen, wolkenverhangenen Nacht in einem feuchten, elenden Schützengraben war es so verdammt finster, dass man nicht einmal die Hand vor Augen sah. Er war umgeben von den Männern seines Bataillons, aber diese Stimme erkannte er an ihrem Singsang.
»Whip, bist du das?«
»Genau der«, erwiderte Remy Whipperton Fournier III. »Ich hab’s endlich geschafft, mir ne trockene Zigarette zu drehen, aber ich hab keine Streichhölzer.«
»Mal sehen.« Riley tastete seine Uniformtaschen ab und wühlte in den Fächern seines Patronengurts. Seine Finger umschlossen eine kleine Blechbüchse. Er öffnete den Deckel und zog ein einzelnes Streichholz heraus. »Hier, bitte.«
Whips Hand tastete in der Dunkelheit, bis sie das Gesuchte gefunden hatte. »Danke.« Das Streichholz flammte auf und beleuchtete für einen Augenblick das freundliche Gesicht des Mannes. »Verdammt, wie ich das hier hasse«, klagte er matt. »So habich mir unseren großen Ausflug eigentlich nicht vorgestellt. Jeden Moment können die Deutschen eine Granate abfeuern, und peng, ist dein Kopf weg und kullert wie ein Krocketball durch den Schützengraben – oder wird weggespült, falls es regnet.«
Riley lächelte. »Zumindest heute Nacht wird das wohl nicht passieren. Aber ich muss gestehen, dass ich es in dem Bauernhaus, in dem wir gestern noch waren, auch gemütlicher fand. Das Essen war um Klassen besser als dieses
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