Heimkehr am Morgen (German Edition)
Leroys Unterschrift und das Datum der vergangenen Woche.
»Was ist das? Hast du ihm etwa unsere Privatangelegenheiten auf die Nase gebunden?«
Er warf ihr einen missmutigen Blick zu. »Nein, aber ich dachte, du würdest mir nicht glauben. Deshalb habe ich ihn um eine schriftliche Bestätigung gebeten, das war alles. Erst hat er sich geweigert, weil ich ihm keinen Grund dafür nennen konnte, nur dass es wichtig sei. Als Gegenleistung musste ich ihm schwören, dass es nichts mit ihm, seiner Arbeit, Western Union und der American Protective League zu tun hatte. Gott sei Dank hat er mir geglaubt.«
Er stand auf und ging um den Tisch herum, um den Stuhl aufzustellen. Sie starrte ihn an, durch und durch bebend vor Zorn und Kränkung. Er rührte sich nicht, sondern starrte nur zurück und hielt abwartend ihren Stuhl, während er sie stumm aufforderte, sich wieder zu setzen. Schließlich ließ sie sich mit einem schwerenPlumpsen darauf sinken, und er kehrte zu seinem Stuhl zurück. Er nahm die Whiskeyflasche und deutete damit auf ihr Glas. Auf ihr Nicken hin goss er einen kräftigen Schuss zu ihrem Wasser.
Er fuhr sich mit der Hand durch sein trocknendes Haar und schenkte sich ebenfalls noch einmal ein. »Ich wollte dich nicht damit konfrontieren, solang Amy an der Schwelle des Todes stand, das wäre schäbig gewesen. Jetzt, da es ihr besser geht, musste ich es dir sagen … alles. Gleich vorweg: Ich werde sie nicht heiraten, aber das dürfte dich nicht überraschen.
Dann sollst du wissen, dass ich dir die Wahrheit so erzählen werde, wie ich sie kenne. Ich will dich nicht gegen deine Schwester aufhetzen, werde jedoch auch nichts beschönigen oder für etwas die Verantwortung übernehmen, für das ich nichts kann. Was Amy getan hat, hat dein und mein Leben verändert. Was du mit dieser Information anfängst, ist deine Sache.«
Jess saß steif wie ein Besenstiel da, die Lippen fest aufeinandergepresst.
»Wie gesagt, ich hatte schon ein wenig Zeit, um darüber nachzudenken, und ich glaube, das meiste konnte ich mir zusammenreimen. Als dein Vater starb, fühlte sich Amy irgendwie verloren. Sie stand ihm zwar nicht besonders nah, aber du warst fort und sie musste aus dem Haus ausziehen, in dem sie aufgewachsen war.«
»Ich musste es verkaufen, um die Grundsteuer und die Schulden meines Vaters zu bezahlen!« Sie war es leid, sich ständig für ihre Entscheidungen rechtfertigen zu müssen.
»Ja, ja, ich weiß.«
Sie sank gegen die Lehne und nahm einen Schluck von dem verdünnten Whiskey. Auf einmal war sie missgestimmt und fühlte sich ausgenutzt.
»Jedenfalls hat sie sich mit Susannah angefreundet. Und auch wenn ich glaube, dass Amy sie wirklich mag, war ihre Hauptabsicht wohl, sich möglichst oft auf der Farm aufzuhalten, damit ich Notiz von ihr nehme.«
Jess öffnete den Mund, um zu widersprechen, ließ es dann jedoch sein. Womöglich hatte er ja recht. Aus dem Mund mancheines anderen Mannes hätte seine Bemerkung unerträglich eitel geklungen. Aber obwohl sich überall die Frauen nach Cole umdrehten, war er sich seines guten Aussehens und seiner Wirkung offenbar gar nicht bewusst.
Er fuhr fort. »Ständig schien sie Susannah in der Küche zu helfen und zum Abendessen zu bleiben. Riley oder ich fuhren sie dann zurück in die Stadt. Manchmal blieb sie über Nacht. Sie machte ein Mordsgetue um Pop, und er genoss ihre Aufmerksamkeit. Immer wieder ließ sie durchblicken, du wärst zwar gut in Naturwissenschaften, hättest jedoch nie kochen, nähen und den Haushalt führen gelernt.« Er machte ein schiefes Gesicht. »Auch das hat Pop geschluckt.«
Jess kreuzte die Arme vor der Brust. »Das kann ich mir vorstellen.«
»Dann kam dein Brief, in dem du mir erklärt hast, du würdest noch eine Weile in New York bleiben.« Er nippte an seinem Whiskey. »Ich habe mich nicht gerade darüber gefreut, aber das weißt du ja bereits. Du hast deine Rückkehr immer wieder aufgeschoben, und im Rückblick ist mir klar, dass Amy zu diesem Zeitpunkt angefangen hat, mir richtig Dampf zu machen.«
Bei dieser Bemerkung regte sich Jessicas Fantasie. Sie erinnerte sich daran, was sie und Cole einst miteinander geteilt hatten. »Dampf – wie? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Amy … nein, beim besten Willen nicht.«
Lächelnd hob er die Augenbrauen. »Aber, aber Jess, woran du gleich denkst. Das habe ich nicht gemeint. Amy und ich sind nie übers Küssen hinausgegangen.«
Ihr Gesicht wurde heiß vor Verlegenheit angesichts ihrer
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