Heimkehr am Morgen (German Edition)
der arbeitsreichen Tage war das immerhin besser als nichts. Es musste einfach reichen. Während die Wanne volllief, wickelte sie die letzte Crème Simon-Badetablette aus und genoss ihren lieblichen Duft. Die in Frankreich hergestellte Badeseife bekam man in New York in jedem Kaufhaus oder jeder Apotheke. Mr. Bright in Powell Springs würde sie vermutlich bestellen müssen, und jetzt im Krieg ließ sich schwer vorhersagen, wann die Lieferung eintreffen würde. Danach, wenn dieser elende Konflikt endlich vorbei war, wäre es vielleicht einfacher.
Danach …
Sie zwang sich, nicht weiter in diese Richtung zu denken. Schließlich würde sie nicht bleiben. Ihr Aufenthalt, all das hier war nur vorübergehend. Sie beugte sich über die Wanne, drehte den Wasserhahn zu, streifte ihren Bademantel ab und glitt in das heiße Wasser. In Powell Springs war für sie kein Platz mehr, ermahnte sie sich. Trotz der chaotischen Zustände wegen der Epidemie war sie erstaunt darüber, wie oft sie sich bei der Vorstellung ertappte, für immer hierzubleiben.
Dampf und Hitze hatten ihre Schultern entspannt, doch ihre Gedanken kreisten weiter. Wenn hier kein Platz für sie war, warum fühlte sie sich dann so, als gehörte sie hierher? Fragen quälten sie. Sie tauchte die Haare unter, um sie nass zu machen, und schäumte sie mit Seifenlauge ein. Dann schrubbte sie sie so kräftig, als könnte sie dadurch die Fragen in ihrem Kopf vertreiben, aber vergeblich. Was Cole ihr zu erzählen hatte, würde vermutlich ihr wackeliges emotionales Gleichgewicht erschüttern. Vielleicht hatte er einen Hinweis darauf, wer das Telegramm aufgegeben hatte, was sie womöglich dazu zwang, ihren lang gehegten Groll aufzugeben, der bereits zu einer Art Schutzschild gegen Cole und die Welt im Allgemeinen geworden war. Das hatte Cole ihr ja auch vorgeworfen.Aber so albern es klang, was würde ihr ohne diesen Groll noch bleiben? Ihre letzte unsichere Verteidigung würde brechen.
Schließlich stieg sie aus der Wanne und trocknete sich ab. Cole würde bald da sein, und sie wollte nicht, dass er sie im Morgenmantel antraf. Nachdem sie sich das zerzauste Haar frisiert hatte, flocht sie es mit ungeschickten, nervösen Fingern zu einem Zopf und zog Rock und Bluse in schlichtem Grau an. Als sie ihn an der Haustür klopfen hörte, stand sie immer noch vor dem Kommoden-spiegel und fingerte an dem Häkchen und der Öse am Halsausschnitt herum.
Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Türen zu ihrem Schlaf- und Badezimmer geschlossen waren, eilte sie nach unten. Durch die Scheibe sah sie seine Silhouette, und ihr wurde bewusst, dass sie seine breiten Schultern und den Cowboyhut überall wiedererkannt hätte, so vertraut war ihr dieser Mann.
Sie öffnete die Tür und versuchte die freudige Erregung zu unterdrücken, die sie bei seinem Anblick erfasste. Er wirkte müde, als hätte er ebenso wenig geschlafen wie sie. Trotzdem war er für sie immer noch der attraktivste Mann der Welt. Auch er hatte sich frisch gemacht, sich das Haar mit Wasser zurückgekämmt, das Hemd gewechselt und eine saubere Jeans angezogen. In der Hand trug er ein in eine Serviette gewickeltes Päckchen.
»Komm rein. Ich habe nichts zu essen im Haus, aber ich kann Kaffee aufsetzen.«
»Jacobsen ist doch nicht zurückgekommen, oder?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Gut.« Er reichte ihr das Päckchen. »Ich habe im Saloon vorbeigeschaut und Tilly gebeten, uns einen kleinen Imbiss zu machen. Ich dachte, du hast sicher noch nicht gegessen.«
»Ist der Verkauf von Speisen nicht in der ganzen Stadt verboten?«
»Doch, aber das hier stammt aus seinen Privatvorräten. Rinderbraten und Kartoffeln.«
»Oh, und ich habe noch Butter. Danke, Cole, das ist wirklich nett. Du hast recht, ich habe seit heute Morgen nichts mehr gegessen.« Als sie das eingewickelte Bündel entgegennahm, spürtesie, dass noch etwas Schweres darin war. Prüfend wog sie es in der Hand, dann fragte sie: »Was ist da sonst noch drin?«
»Eine Flasche Whiskey.«
Sie errötete. »Oh, na ja, ich sollte lieber nichts trinken, und schon gar nichts Hochprozentiges.«
Er legte Jacke und Hut ab und hängte sie an den Garderobenständer an der Tür. »Vielleicht änderst du deine Meinung, wenn du gehört hast, was ich dir zu erzählen habe.«
Wieder erfasste sie ein Gefühl der Vorahnung, das sich wie ein Mühlstein auf ihre Schultern legte. »W-was denn?«
»Später, wir sollten erst etwas essen.«
»Na gut. Komm mit.«
Sie führte
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