Heimkehr am Morgen (German Edition)
geholfen hätte, hätte ich dem Teufel Eintritt dafür bezahlt, mich noch einmal in die Hölle zu lassen, durch die ich gegangen bin, nur um dich zurückzubekommen.«
Erneut überkam sie ein Anflug von Ärger. »Tatsächlich? Du hast dich ja nicht besonders ins Zeug gelegt dafür. Sobald es dir zu anstrengend wurde, bist du zu meiner Schwester übergelaufen. Das ist nun mal eine Tatsache«, sagte sie und nahm einen großen Schluck aus dem Glas, das sie umklammerte.
»Komm schon, Jessica, wie sehr hast
du
dich denn ins Zeug gelegt?« Seine Augen wirkten wie blaue Eissplitter. »Ich leugne ja nicht, dass ich es oft bereut habe. Wenn du mir sagst, dass du es nicht auch bereust, bist du nicht mehr die Frau, die ich kenne.«
Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. »Natürlich bereue ich es. Aber wir sind nicht mehr dieselben. Zumindest ich nicht, und das werde ich auch nie mehr werden.«
»Wegen mir.«
»Na ja, nicht nur wegen dir.« Die wimmernden Kinder, ihre ausgezehrten Mütter und betrunkenen Väter, die entkräfteten, verlassenen alten Leute – ihre Geister hatten sie stets verfolgt.
Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus.
»Vielleicht sind wir nicht mehr dieselben«, sagte er schließlich, jetzt versöhnlicher. »Vielleicht haben wir uns zum Besseren verändert.«
Sie hob den Kopf. »Zum Besseren verändert? Inwiefern?«
Er stand von seinem Stuhl auf und kauerte sich vor ihr auf den Boden. »Wir sind inzwischen ein bisschen klüger. Vielleicht schätzen wir einander mehr.« Er war so nah und roch so vertraut. Sie sah die feinen Linien um seine Augenwinkel, die sie noch nicht kannte, sein kräftiges Kinn und seine breite Stirn. Nichts und niemand hatte je so von ihrem Herzen Besitz ergriffen wie er. Unfähig, sichzu beherrschen, beugte sie sich zu ihm und strich mit dem Handrücken über sein Haar.
Er nahm ihre Hand und küsste sie, dann verweilte er mit den Lippen über ihrem Handgelenk.
Die gegenseitige Anziehungskraft, verlockend und auch irgendwie verboten, spann einen Zauber um sie. »Nein, Cole.« Sie versuchte ihm ihre Finger zu entwinden. »Wir werden das nicht noch einmal tun. Du magst dich, was Amy betrifft, entschieden haben, aber sie und alle anderen denken immer noch, dass ihr ein Paar seid. Du musst warten, bis es ihr besser geht, und ihr dann sagen, dass es zwischen euch aus ist. Sonst bist du nichts weiter als ein
Schürzenjäger
.«
Er hob den Blick von ihrer Hand, die Sekunden verstrichen. Dann ließ er die Stirn auf die Knie sinken. »Nein, das bin ich nicht, Jess. Ich bin hereingelegt worden, und du auch. Aber ich habe lang genug auf dich gewartet – Jahre –, und ich möchte nicht länger warten.«
Wieder brannten ihr Tränen in den Augen, und sie strich ihm übers Haar. Amy, ihre eigene Schwester, hatte sie beide getäuscht und belogen, und die Wahrheit lag jetzt offen vor ihnen. »Aber dann verhalten wir uns auch nicht besser als Amy …«
Jäh hob er den Kopf, und hinter seinem eisigen Blick sah sie die Flamme der Wut flackern. Seine Stimme war leise und rau. »Schwachsinn. Wenn du die Edelmütige spielen willst, holst du dir nur eine blutige Nase.«
Er löste das Band ihres Zopfes, der ihr über die Schulter hing. Dann zog er sie aus dem Stuhl in seine Arme. Während sie auf den Flickenteppich purzelten, wickelten sich ihre Röcke um ihre Beine und verfingen sich unter seinem Körper, sodass sie gefangen war. Seine Küsse prasselten sanft auf ihr Gesicht wie die Regentropfen eines Sommergewitters, feucht und warm und ebenso willkommen.
Sie schlang die Arme um ihn, unfähig, auch nur einen Augenblick länger zu widerstehen.
Noch immer empfand sie Wut, eine unbändige Wut darüber, was ihre Schwester getan hatte, und eine etwas gemäßigtere Wutauf Cole, weil er scheinbar so mühelos über ihre verunglückte Liebesbeziehung hinweggekommen war. Aber viel stärker war ihr Verlangen, ihr Begehren nach ihm, und die Liebe zu ihm, die sie in einen entfernten Winkel ihres zu Eis erstarrten Herzens verbannt hatte. Als seine Lippen ihren Mund berührten, schmolzen ihre unverrückbaren Einwände und hohen Ideale dahin und setzten diese Liebe frei.
Sie stürzten sich mit einem rastlosen Hunger aufeinander, wie sie ihn seit über zwei Jahren nicht mehr erlebt hatte. Unter dem Stoff seines Hemdes fühlte sie seine Knochen und Muskeln, gestählt durch ein Leben harter körperlicher Arbeit. Hitze strahlte von ihm aus.
Sein kinnlanges Haar fiel ihm ins Gesicht, als er zu
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