Heimkehr am Morgen (German Edition)
Gottes oder des Himmels, an dir ist keinerlei Nächstenliebe oder Güte! Nein, du bist immer noch das hinterhältige kleine Würstchen von früher, das alle verpetzt hat. Nur dass es jetzt unschuldige Leute trifft – diejenigen, die du nicht magst oder die dir dein aufgeblasenes Getue nicht abkaufen. Ich begreife einfach nicht, wie du so grausam sein kannst!«
Er starrte sie im Halbdunkel an, den Mund leicht geöffnet, die Miene verblüfft und erfüllt von selbstgerechtem Zorn. »Ich würde dir raten, darüber nachzudenken, was du sagst. Und zu wem du es sagst.«
»Und das von einem Mann, der behauptet, er würde mich lieben – noch mehr Drohungen. Was willst du mir antun, Adam?«, reizte sie ihn. »Was wirst du …?«
»Jess, ist etwas nicht in Ordnung?«
Wie aus dem Boden gewachsen stand Cole vor ihnen. Jessica war noch nie so froh gewesen, ihn zu sehen. Seine imposante Erscheinung, groß, schweißbedeckt und trotz des Wetters mit feuchtem Haar, mit seiner Lederschürze und dem Schmiedehammer. Jetzt merkte sie, dass sie vor der Schmiede standen, wo er vermutlich gearbeitet hatte. »Cole …«
»Das hier geht dich nichts an, Braddock«, zischte Adam ihn an.
Cole schüttelte zweifelnd den Kopf. »Hm, es klingt mir aber ganz danach. Du bist verdammt grob zu einer Frau, die eine alte Freundin von mir ist. Bereits zum zweiten Mal muss ich dich davon abhalten, ihr wehzutun. Benimmt sich ein Pfarrer vielleicht so?« Er schlug Adams Arm von Jessicas Handgelenk, als wäre er nur ein Floh. Dann fügte er drohend hinzu: »Und ich habe meinerseits auch die Nase voll von dir.«
»Jessica, lass dich nicht …«, fing Adam an.
Cole wandte sich an sie. »Bist du hier fertig?«
Sie rieb sich das Handgelenk und funkelte den Mann, der sich für ihren Verlobten und für die oberste geistliche Instanz hielt, finster an. »Ja, und ob.«
Cole nickte und versetzte Adam einen Stoß vor die Brust. »Zieh Leine, bevor ich es mir anders überlege und dir die Manieren beibringe, die du nie gelernt hast.«
Adams fleckiges Gesicht zuckte vor trotzigem Zorn, seine Lippen waren fest aufeinandergepresst. »Das wirst du noch bereuen, Braddock«. An Jessica gewandt fügte er hinzu: »Und du auch.« Damit drehte er sich um und stiefelte schnell Richtung Pfarrhaus davon.
Cole sah ihm nach, bis er einige Querstraßen entfernt war, dann sagte er: »Verdammt, ich kann diesen Widerling nicht ausstehen.« Er musterte sie. »Bist du in Ordnung?«
Ihre Schultern senkten sich, aber sie bebte immer noch vor Wut und Angst. »Ja. Danke für deine Hilfe. Tut mir leid, dass du mich ständig retten musst.«
»Tja, ich sage es ja nur ungern, aber ich habe dich gewarnt.«
»Dann lass es«, erwiderte sie bestimmt. »Ich versuche seit Tagen, ihn mir vom Leib zu halten, aber er will es einfach nicht kapieren.« Sie starrte Adam nach. Er war bloß noch ein Fleck in der Dämmerung. »Jetzt hat er es wohl begriffen. Trotzdem mache ich mir Sorgen, was ich uns da vielleicht eingebrockt habe.«
Cole nickte. »Ich habe ihn schon immer für einen scheinheiligen Spitzel gehalten. Und dazu kommt noch eine gehörige Portion Niedertracht. Ich weiß, dass er mich schon länger auf dem Kieker hat.«
Eine kühle Abendbrise erhob sich und blähte ihren Mantel. Sie fröstelte. »Du stehst nicht als Einziger auf seiner Liste.«
»Wie geht es Amy?« fragte er abrupt.
»Gott sei Dank besser.«
»Gut.« Er deutete über seine Schulter. »Hör zu, ich muss noch ein paar Dinge erledigen, das dauert ungefähr eine Stunde. Aber danach würde ich gern zu dir kommen und mit dir reden.«
Sie erinnerte sich an das letzte Mal, als er zum »Reden« gekommen war, und daran, was passiert war. »Ach Cole, ich weiß nicht. Vielleicht ist das keine gute Idee.«
Er sah ihr ins Gesicht. »Hör zu, Jess, es ist wichtig. Ich habe mich von dir ferngehalten, seit Amy krank ist, weil ich dachte, du hast genug um die Ohren. Aber ich habe etwas erfahren, das du wissen musst.«
Sie schluckte. »Es geht doch nicht um das Telegramm, oder?«
»Doch.«
»Ist das wirklich noch wichtig, nach all der Zeit?«
»Mehr als du denkst.«
Sie seufzte. »In Ordnung.« Dann wandte sie sich ihrer Tür zu.
Eine ungute Vorahnung beschlich Jessica, als sie die Wohnung aufräumte, in der Küche Geschirr spülte und sich ein Bad einließ.
Cole würde bald hier sein, deshalb konnte sie sich nicht so ausgiebig wie geplant in der Seifenlauge aalen, aber wenigstens würde sie sauber sein. Und angesichts
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