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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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dicken Strahl heraus. Die Hand hing mit zerbissenem Gelenk kraftlos herunter.
    Sein Gefährte riß das Gürteltuch durch und band mit aller Kraft die Pulsader ab. Bis das gelang, war Schonka von dem Blutverlust schon erschöpft und ließ sich auf den Boden fallen.
    »Was war das?« flüsterte er, um Luft ringend, da sein Herz versagen wollte.
    »Ein schwarzer Wolf«, murmelte Antilopensohn. Er stand bei Schonka und beobachtete gleichzeitig den Gefangenen. Da hatte er nun einen erschöpften, lebensgefährlich verletzten Gefährten vor sich und einen sterbenden, erstickenden Gefesselten, dessen Adern anschwollen und dessen Brust sich im vergeblichen Kampfe um Luft dehnte. »Er muß vor den Rat und an den Pfahl«, sprach Antilopensohn zu sich selbst. »Wozu haben wir ihn gefangen? Wer hätte je gedacht, daß der Sohn des Verräters lebend in unsere Hände fällt!«
    Er drückte den Unterkiefer des Gefesselten weiter herunter und begann, das Gras und die Erde aus dem Munde herauszuholen. Er entfernte nicht alles, aber doch so viel, daß der Atem laut rasselnd wieder durchziehen konnte.
    Schonkas jähe Wut war mit dem Blutverlust gebrochen und machte einem eigensinnigen und beutegierigen Grimm Platz. Er eignete sich die Kette aus Bärenkrallen an, ohne Antilopensohn darum zu befragen, und verlangte: »Nimm den Falben mit, den will ich haben.«
    Der Sohn Antilopes sah sich auf diese Worte hin nach den Mustangs um. Zweckmäßig schien es, ein Pferd zu haben, dem man den Gefangenen aufladen konnte. Antilopensohn ging also, um die beiden Tiere zu holen. Der Falbhengst äugte und beobachtete den Fremden. Als Antilopensohn das Lasso wurffertig machte, brach dieser Mustang sofort in die Prärie aus. Der Indianer sah den Hengst galoppieren und begriff augenblicklich, daß er ihn nicht einfangen konnte. So legte er das Lasso wieder in Schlingen und holte sich den Schecken, der sich nach geringem Sträuben führen ließ.
    Als Antilopensohn mit dem Pferd zurückkam, pfiff Schonka verächtlich: »Warum hast du den Falben fortgejagt?!«
    »Bändige deine Zunge, und spare deinen spärlichen Atem«, erwiderte Antilopensohn verärgert. »Der Falbe war nicht gefesselt. Viel wichtiger und viel übler ist es, daß wir unseren Späherposten verlassen müssen.«
    »Wegreiten?« fragte Schonka leise.
    »Willst du hier bei diesen Blutspuren bleiben, die jeder blinde Hund noch im nächsten Mond finden wird? Jim der Fuchs ist im Blockhaus. Hast du das nicht gehört?«
    »Nein.«
    »Der Haß hat dir die Augen geblendet und die Ohren verstopft. Das war nicht gut, und ich bin deinem schlechten Rat gefolgt. Jetzt müssen wir fort.«
    »Zurück?«
    »Wohin denn sonst? Steig auf dein Pferd, los!«
    Schonka mußte sich wohl oder übel fügen. Antilopensohn beurteilte die Lage richtig, das konnte er nicht bestreiten. So kletterte er auf seinen Mustang. Es war ihm schwindlig, aber als er sich zurechtgesetzt hatte, fiel er nicht herunter. Antilopensohn packte den Gefangenen, legte ihn quer über den Schecken Mattotaupas und band ihn wie ein erlegtes Tier fest. Dann schwang er sich auf sein Pferd. Er ließ Schonka vorausreiten, so daß der Verwundete und vom Blutverlust Erschöpfte das Tempo bestimmen konnte. Antilopensohn ritt hinterher und führte das Pferd mit dem Gefesselten. Ein Parforcetempo war für die kleine Gruppe nicht möglich. Antilopensohn überschlug im stillen, daß man fünf bis sechs Tage brauchen werde, um das Zeltdorf zu erreichen. Die Bärenbande war zugleich mit den beiden Kundschaftern aus dem Winterlager in den Wäldern der Vorberge aufgebrochen und mußte mit ihren Zelten schon am Pferdebach angelangt sein.
    Es wurde hell. Antilopensohn spähte nach dem Blockhaus, aber dort rührte sich nichts, und es schien keine Gefahr von dorther zu drohen. Die Sonne wärmte wenig, da ein feuchter Wind von Norden wehte. Am Himmel zogen graue Wolkenfetzen schnell dahin. Die Landschaft der Sandhügel, die die Reitergruppe durchquerte, war menschenleer, auch Wild ließ sich hier nur wenig sehen, da es an anderen Stellen leichter Futter fand. Es war die Gegend, durch die Mattotaupa, Tobias und Harka vor elf Jahren die wenigen Menschen geführt hatten, die bei den ersten Erkundungsaktionen im künftigen Bahngelände, von einem der furchtbaren Sandstürme überrascht, noch ihr Leben retteten. Stein mit Hörnern erkannte das Gelände jetzt nicht, dachte auch an nichts, weder an gestern noch an heute noch an morgen. Wundschmerzen, Durst und Atemnot

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