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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Gesichtsbildung und die kräftigen, athletischen Schultern. Sein Kriegername war Tschapa, der Biber. Er hatte kein leichtes Leben. Als sein Vater Fremde Muschel als entflohener Sklave zwei Jahre vor Beendigung des Bürgerkrieges bei der Bärenbande aufgenommen worden war, hatte man ihm ein Zelt zur Versorgung übertragen, in dem viele Frauen zu ernähren waren, deren älteste von einem bösen Geist besessen schien. Fremde Muschel war einige Jahre später von den weißen Männern ermordet und verstümmelt worden, seine Frau war gestorben. Nun hatte Tschapa Kraushaar allein für die Großmutter, drei verwitwete Tanten und deren Töchter aufzukommen. Das ging fast über die Arbeitskraft eines Jägers. Das Fleisch war oft knapp im Zelt, und durch das kranke Gemüt der Großmutter gab es viel Unfrieden. Tschapa Kraushaar trug alles mit Geduld, ohne Murren. Er hatte sich sogar sein Lächeln und die Fähigkeit zu scherzen bewahrt, und die Männer und Frauen der Bärenbande hatten ihn gern. Was sein heimisches Zelt anbelangte, so konnte es ihm niemand verübeln, daß er sich so wenig wie möglich darin aufhielt. Auch jetzt war er schon eine Stunde zu früh auf Wache gekommen. Der vorangehende Posten freute sich natürlich, daß er vorzeitig abgelöst wurde. Tschapa blieb an dem Platz, an dem der Wachtposten für die Pferde sich aufzuhalten pflegte. Da keine Gefahr drohte, schien ein einziger Wachmann bei den Mustangs zu genügen. Auf den Hügeln östlich und westlich des Dorfes lagen Späher, die rings Umschau halten konnten. Es versprach nach Sonnenuntergang sehr kalt zu werden. Tschapa Kraushaar hatte seinen Winterrock aus Büffelfell und seine Pelzmokassins hervorgeholt und sich darin eingehüllt. Er war nicht auf der Steppe geboren, sondern im heißen Süden und fror darum noch immer leichter als seine schon vom Säuglingsalter an im Klima der Hochprärie systematisch abgehärteten Gefährten.
    Es wurde Nacht. Mond und Sterne fanden mit ihrem Licht keinen Weg durch die Wolken. So wurde es ganz finster; und das Land lag wie eine schwarze drohende Masse unter Wind und Graupeln. Kraushaar horchte und lauschte umher. Er wollte sich nicht auf die anderen Späher verlassen, In der Ferne heulten Wölfe. Sie waren hungrig, und der Geruch der Pferde zog sie an. Die Hunde rührten sich. Tschapa Kraushaar hielt seine Waffen bereit. In einer solchen Nacht war es leicht möglich, daß sich die Raubtiere anschlichen.
    Vom Wachhügel kam ein Warnruf. Tschapa nahm Bogen und Pfeil zur Hand. Aus den Zelten eilte sofort Speerspitze herbei, um den Biber bei der Pferdewache zu unterstützen. Beide lauschten und hörten von fernher Pferdegalopp, der sich dem Dorf näherte. Schon waren auch laute Rufe zu vernehmen, Rufe eines Dakotakriegers, schrille Hilferufe in der Stille der Nacht. Tschapa Kraushaar durfte seinen Posten nicht verlassen, aber sein Gefährte schwang sich aufs Pferd und jagte hinaus in die Richtung, aus der die Hilferufe erklungen waren. Tschapa sowie die Kundschafter auf dem Hügel riefen die Männer in den Zelten laut zu den Waffen.
    Das Dorf war sofort lebendig. Die Krieger schlüpften aus den Tipi und rannten zu den Pferden. In einer langen Reihe, die von dem Alten Raben geführt wurde, ritten sie in die Prärie hinaus. Die Hilferufe verstummten, dafür hörte Tschapa das Geschrei, mit dem die Männer ein Rudel Wölfe zu bekämpfen schienen.
    Das Geschrei währte nicht lange, es wurde mit einigen Siegesrufen beendet. Bald kamen die ersten Krieger im Galopp zurück; der größere Teil schien jedoch im Schritt zum Dorf zu reiten.
    Ein Sohn des Alten Raben war der erste, der mit seinem Mustang die Pferdeherde wieder erreichte. Er sprang dicht bei Tschapa Kraushaar ab. »Sie bringen Harka als Gefangenen!« rief er. »Schonka ist schwerverletzt. Der Antilopensohn hat um Hilfe gerufen. Die Wölfe wollten die Pferde und die Reiter anfallen.«
    Als Kraushaar den Namen Harka hörte, verschlug es ihm die Sprache. Er war erschrocken. Freuen konnte er sich nicht. Vorsorglich bat er den jüngsten der Krieger, Ihasapa, ihn bei der Pferdewache abzulösen. Er wollte freie Hand haben.
    Die große Gruppe der Männer hatte die Zurückkehrenden, Antilopensohn und Schonka samt dem Gefangenen, in ihre Mitte genommen. Auch sie gingen zum Schluß noch zum Galopp über. Die Krieger ritten, wie üblich, erst zur Pferdeherde, um ihre Mustangs gleich dort zu lassen. Tschapa Kraushaar wußte sich sofort durchzuschlängeln, und er war derjenige, der

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