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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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die Augenlider, schaute ins Feuer, als ob aus diesem besserer Rat kommen könnte, und antwortete endlich: »Hawandschita hat entschieden, und Tschotanka und ich haben zugestimmt. Noch vierzehn Tage, dann wird der Sohn des Verräters am Pfahle stehen. Aber er wird nicht wie ein Krieger sterben. Die Männer werden ihn anspeien und die Weiber ihn verspotten und endlich erschlagen. Nach einem Tag und einer Nacht ist er tot.«
    Tschetansapa tat zwei Züge, ehe er antwortete; er bereitete sich dadurch vor, in beherrschtem Ton zu sprechen.
    »Häuptling Alter Rabe glaubt«, sagte er dann, »daß der Geheimnismann und er selbst über diesen Gefangenen hier entscheiden können, ohne die Ratsversammlung zu berufen?«
    Der Alte Rabe krauste die Falten seines Gesichts. »Über Kriegsgefangene entscheiden der Kriegshäuptling und der Geheimnismann.«
    »Hau. Aber Stein mit Hörnern ist kein Kriegsgefangener. Er ist ein Mann unseres Stammes, ein Dakota, ein Sohn der Großen Bärin. Er hat sich uns freiwillig gestellt. Über ihn entscheidet nur die Ratsversammlung, nachdem sie ihn angehört hat. Ich habe gesprochen.«
    Alter Rabe wurde unruhig. »Willst du es unternehmen, Tschetansapa, Sohn des Sonnenregens, die Entscheidung Hawandschitas zu ändern?«
    »Hawandschitas Worte waren keine Entscheidung, sondern ein Rat. Er hat Tschapa Kraushaar seine Meinung mitgeteilt, und sobald die Ratsversammlung berufen ist, wird dieser Rat vorgetragen. Die Ratsmänner entscheiden.«
    Alter Rabe befand sich zwischen zwei Feuern und suchte auszuweichen. »Es liegen noch vierzehn Tage vor uns. Wir werden sehen.« Er machte eine Handbewegung, die bedeutete, daß er das Gespräch über dieses Thema beende.
    Tschetansapa, der wußte, daß der Rabe sich nicht gern drängen ließ, fügte sich dem Aufschub und schnitt eine andere Frage an. »Da ich zurückgeritten bin, ist nur noch ein Kundschafter beim Blockhaus. Wir müssen wieder einen zweiten schicken. Du bist einverstanden?«
    »Ja.«
    Tschetansapa verabschiedete sich und ging. Alter Rabe wußte, daß Tschetansapa einen harten Schädel hatte und die jungen Krieger ihn, mit ganz wenigen Ausnahmen, aus vollem Herzen bewunderten und ihm anhingen. Wenn Tschetansapa, der als Führer des Bundes der Roten Hirsche der Ratsversammlung angehörte, und Hawandschita gegeneinander sprachen, so gab es eine erbitterte Auseinandersetzung.
    Fand die Ratsversammlung aber nicht statt, so konnte noch viel Schlimmeres geschehen. Der Alte Rabe sah im Geiste schon den Gefangenen am Pfahl auf dem Kultplatz, davor aber Tschetansapa, Schonka und Hawandschita! Es wurde ihm angst. Er fürchtete weder Wölfe noch Bären, noch Feinde, aber die Zwietracht im Stamme fürchtete er. Wieviel Männer hatte der Zwist mit Mattotaupa bereits gekostet! Das beste wäre gewesen, Antilopensohn hätte nicht den lebenden, sondern den toten Sohn des Verräters gebracht. Beim ersten Bericht hatte der Alte Rabe selbst Schonkawakon im stillen einen Kojot und unbeherrschten Dummkopf genannt. Jetzt kam er langsam zu der Meinung, Schonka habe dem Gefangenen die Erde nicht schnell und nicht tief genug in die Kehle gestopft. Über einen Toten hätte es keinen Zwist mehr geben können.
    Alter Rabe brütete vor sich hin.
    Was das für ein schwarzer Wolf gewesen sein mochte, mit dem Schonka gekämpft haben wollte? Vielleicht war es auch ein solches Zaubertier wie der falbe Hengst. Untschida war eine Geheimnisfrau, Uinonah verstand schon manches von der geheimen Heilkunst, und der Sohn des Verräters hatte Zaubertiere. Hawandschita aber war ein alter erfahrener Zaubermann. Der Rabe fing an, sich auch davor zu fürchten, daß er zwischen feindlichen Zauber geraten könne. Das schien ihm noch bedenklicher, als zwischen feindlichen Menschen zu stehen. Es war alles verwirrt. In das Blockhaus am Niobrara aber waren die Langmesser eingezogen und bauten Palisaden. Damit bereitete sich nach der Vollendung des Bahnbaues, den sie nicht hatten verhindern können, ein nächster Schlag gegen die Dakota vor.
    Der Verräter Mattotaupa war tot, Endlich war er tot. Vor elf Jahren hatte der Rabe in der Ratsversammlung für Mattotaupa gesprochen, weil er glaubte, daß dieser zu hart bestraft würde und ein Vergehen während seiner Verzauberung durch Miniwaken mit kühnen Taten wieder gutmachen könnte und auch wieder gutmachen wollte. Aber jetzt verzweifelte der Alte Rabe, weil diese unglückliche Sache immer noch wie Sumpfwasser unter den Füßen quirlte und die Krieger von

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