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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Dankbarkeit und einem Schimmer von Hoffnung.
    »Hier!« Tschetan reichte Untschida die Pfeife. »Vielleicht kannst du erkennen, ob der Tabak, der sich darin befindet, vergiftet ist.«
    »Er hat geraucht?«
    »Nein, er hat die Pfeife weggestoßen. Die Roten Hirsche haben jetzt die Wache übernommen.« Tschetan verließ das Zelt gleich wieder.
    Am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang erfuhr er von Untschida, daß sie das Gift nachweisen könne. Daraufhin begab sich Tschetansapa zu dem Häuptling und sagte: »Alter Rabe! Zuweilen fährt auch in einen großen Häuptling ein böser Geist, der jedoch von einem guten wieder ausgetrieben werden kann. Du warst gestern in der Nacht böse verzaubert. Das Gift hat dich jedoch verlassen und sich an einer Pfeife festgesetzt, die ich wohl verwahre, damit sie kein weiteres Unheil anrichtet. Du bist wieder frei von dem bösen Geist und wirst in der Ratsversammlung für Stein mit Hörnern sprechen. Denn die Langmesser rücken vor, und wir brauchen jeden tapferen Mann. Hast du mich verstanden?«
    »Hau.«
    Der Alte Rabe sagte nur das einzige Wort. Er war mit sich selbst völlig zerfallen. Die Frau hatte sich weitab gesetzt und schaute ängstlich und zweifelnd umher. Tschetansapa warf ihr einen drohenden Blick zu und verließ das Tipi wieder.
    Die Tage und Nächte vergingen.
    Die Späher schauten aus, ob Tschapa Kraushaar zurückkehren und Botschaft von den Überhäuptlingen bringen würde. Im Zauberzelt ging Nacht für Nacht dumpf und drohend die Trommel. In der Prärie fanden sich die Roten Hirsche zusammen und sprachen von dem, was kommen müsse und kommen werde.
    Zwei Tage vor dem gesetzten Termin gab der Häuptling Alter Rabe Tschetansapa des Morgens bekannt, daß er keine Ratsversammlung einberufen würde. Hawandschita beharre auf seinem Urteil und drohe, alle mit Geistern zu verfolgen, die ihm entgegenhandelten. Am Abend dieses Tages sprengte Tschapa Kraushaar ins Dorf und brachte die Nachricht, daß Tatanka-yotanka komme. Er führe sein Zauberzelt mit und sei zu erwarten, sobald die Sonne das viertemal sinke.
    »Er kommt zu spät«, sagte Tschetansapa. »Wir müssen selbst bereit sein zu handeln.«
    Als der Tag anbrach, den Hawandschita für die Schandmarter angesetzt hatte, begab sich Tschetansapa lange vor Sonnenaufgang in das Zelt des Alten Raben. Er hatte für diesen Tag sich selbst als Wache des Gefangenen bestimmt. In seiner Festkleidung mit allen seinen Ehrenzeichen erschien er, mit der Kette aus Bärenkrallen, mit Adlerfedern im Schöpf und dem Bündel roter Hirschhaare. Er nahm dem Gefangenen die Fesseln ab, und Stein mit Hörnern erhob sich. Unter der sorgfältigen Pflege war er zu Kräften gekommen, konnte auch seine Arme frei gebrauchen, obgleich die Wunden noch nicht ganz geschlossen waren. Er war wieder eine stolze Erscheinung, aber der Ausdruck seiner Züge war finster und ohne Hoffnung auf eine andere Lösung als den Tod. Er hatte Muße genug gehabt, um jede Frage zu durchdenken. Er wußte, wie groß Hawandschitas Macht war.
    Tschetansapa nahm Stein mit Hörnern mit an den Pferdebach und bat ihn zu baden, an derselben Badestelle, an der die beiden einst jeden Morgen geschwommen waren und miteinander gespielt hatten. Der Gefangene schoß einmal durch die schnell strömende eiskalte Flut und reinigte sich mit Sand. Tschetansapa reichte ihm Bärenfett zum Einreiben, das bedeutete, daß er dem Gefangenen die mythische Kraft wünschte, die nach dem Glauben der Indianer von dem Bären ausging.
    Es gab niemanden, der sich neugierig in der Nähe aufgehalten hätte. Die beiden waren auf diese Weise allein, zum erstenmal wieder seit vielen Jahren. Die Zeit war kurz.
    »Wirst du mir am Pfahle antworten?« fragte Tschetansapa.
    »Dir? Ja.«
    »Ich will sie zwingen zu beraten. Es wird hart hergehen, aber du bist den Kampf gewohnt.«
    Stein mit Hörnern hätte dem einstigen Freunde am liebsten geantwortet: Ich bin ihn seit meinem zwölften Jahr gewohnt, und ich bin seiner müde. Laßt mich schnell und mutig sterben; wenn ihr das nicht tun wollt, so zwinge ich euch dazu. Aber das konnte er Tschetansapa jetzt nicht sagen, darum sagte er etwas ganz anderes: »Solange ich sehe, daß du es erwartest, werde ich standhalten. Aber das eine mußt du wissen. Du hast mir die Baststricke abgenommen, und ich lasse mich auch nicht zum zweitenmal fesseln, um mit anzuhören, wie Schonka meinen Vater und mich verspottet, oder um mich von seinem Geifer und von den Weibern besudeln zu lassen. Wenn

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