Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
neuem zu entzweien drohte.
    Er haßte Harka Stein mit Hörnern nicht. Aber er hatte Angst vor den Streitigkeiten um ihn. Drüben bei Hawandschita ging die Zaubertrommel, und eben pfiff Tschetansapa am Flußufer, um die Roten Hirsche zusammenzurufen. Sofort erhob sich der Sohn des Alten Raben, der diesem Bunde angehörte, und eilte hinaus zu Tschetan.
    Wehe, wenn der Unfrieden ausbrach und Hawandschita die Roten Hirsche mit seinen Geistern zu verfolgen begann! Viel besser wäre es gewesen, wenn Antilopensohn und Schonka …, und sicher wünschte sich der Sohn des Verräters selbst den Tod herbei, ehe er an den Schandpfahl gestellt und dort von den Weibern erschlagen wurde. Uinonah, seine Schwester, hatte dem Alten Raben mit ihrer Heilkunst einmal das Leben gerettet. Sollte er nicht auch dieses Mädchen davor bewahren, daß sie zusehen mußte, wie ihr Bruder einen Tag und eine Nacht hindurch verspottet und angespien wurde und dann des schmachvollsten Todes starb?
    Alter Rabe schickte seinen jüngeren Sohn und seine Tochter unter einem Vorwand aus dem Zelt hinaus. Der Sohn sollte Jagdbeute des Häuptlings zu den vielen Frauen in Tschapa Kraushaars Zelt bringen, die Tochter einen anderen Teil zu Uinonah und Untschida.
    Als Alter Rabe mit seiner Frau und dem Gefangenen allein im Zelt war, fragte er: »Frau, wie denkst du? Du hast die Wunden des Sohnes des Verräters verbunden und ihm Wasser und Pemmikan gegeben. Er ist aber sehr geschwächt. Wird er nach vierzehn Tagen und Nächten noch am Leben sein?«
    Die Frau verstand den Blick ihres Mannes bei den letzten Worten. Um ihre Mundwinkel erschien ein eigentümliches, überlegen-grausames Lächeln. »Er ist schwach«, sagte sie. »Da der Häuptling aber wünscht, daß dieser Kojot noch vierzehn Tage am Leben bleibt, werde ich ihm seine Pfeife geben. Er ist zu rauchen gewohnt; das Rauchen wird ihn beleben.«
    Die Frau stopfte die Pfeife.
    Zum erstenmal, seitdem Stein mit Hörnern gefesselt im Zelte lag, verfolgte er die Hantierung der Frau mit seinem Blick. Obwohl ihm das in seinem Schwächezustand niemand zugetraut hätte, richtete er sich in sitzende Stellung auf, ohne die nach hinten gefesselten Hände dabei zu benutzen. Die Zeltinsassen glaubten, daß ihn die Gier des Rauchers treibe. Er wartete aber nur, bis die Frau ihm die Pfeife an die Lippen halten wollte, dann machte er eine plötzliche Wendung und stieß von unten her mit der Schulter der Frau die Pfeife aus der Hand, so daß die Pfeife auf den Boden fiel.
    Die Frau war auf alles gefaßt gewesen, nur nicht hierauf. Sie schrie unwillkürlich laut auf.
    Der Schrei mußte draußen gehört worden sein. Viele Zeltbewohner waren sogleich in Bewegung, am schnellsten war Tschetan. Er riß den Zelteingang auf und sprang sofort bis zur Feuerstelle, wo die Flammen noch leuchteten.
    »Was ist?«
    »Kr hat nach mir geschlagen, als ich ihm seine Pfeife geben wollte!« sagte die Frau.
    Tschetan erblickte die Pfeife am Boden, das maskenhafte Gesicht des Alten Raben, und er sah, wie der Gefangene nur leise die Mundwinkel verzog, aber das mit dem Ausdruck vernichtender Verachtung in dem Gesicht, in dem sich die Schädelknochen unter der gespannten Haut abzeichneten.
    »Frauen taugen nicht dafür, einen Krieger zu bewachen.« Tschetansapa zog ebenfalls die Mundwinkel herab. »Der Bund der Roten Hirsche übernimmt es, den Gefangenen zu bewachen und zu pflegen, bis er sich der Ratsversammlung stellen kann. Ich habe gesprochen, hau!« Tschetansapa bückte sich und nahm die Pfeife auf. Die Frau schien ihm helfen zu wollen, aber er war schneller und gab die Pfeife auch nicht wieder her. »Ich bringe sie lieber weg!« sagte er höhnisch. Am Zeltausgang blieb er stehen und pfiff. Die jungen Krieger, die schon durch den Schrei alarmiert waren, fanden sich gleich bei ihrem Anführer ein. Tschetansapa gab ihnen bekannt, wie sie der Reihe nach den Gefangenen in ihre Obhut nehmen sollten, und daß sie niemand anderen an ihn heranlassen durften. Das Essen und Trinken für den Gefangenen werde Tschetans Frau Mongschongschah bringen. Der erste der zur Wache bestimmten Krieger war der Sohn des Alten Raben, und dieser nahm seinen Platz gleich ein.
    Stein mit Hörnern hatte sich hingelegt. Sein Blick erlosch wieder, obgleich er die Augen offenhielt.
    Tschetansapa ging mit der Pfeife hinüber in das Zelt von Untschida und Uinonah. Die Trauen hatten schon erfahren, daß er für den Gefangenen eingetreten war, und begrüßten ihn mit zurückhaltender

Weitere Kostenlose Bücher