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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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wurde von den Kriegern vom Bunde der Roten Hirsche mit lebhaftem Beifall belohnt. Auch ältere Krieger ließen zustimmende Rufe hören. Für den Angeklagten am Pfahl schien alles gewonnen zu sein.
    Aber Stein mit Hörnern hörte, wie im Zauberzelt die Trommel wieder gerührt wurde, und er wußte, daß der Kampf nicht zu Ende war. Schonka beeilte sich, neues Holz in das Feuer zu schieben. Dagegen vermochte Tschetansapa nicht einzuschreiten; sofort würde sich Hohn und Spott erhoben haben, daß Stein mit Hörnern nicht einmal die einfachste Marter zu ertragen wisse und seine Freunde Angst um ihn haben müßten wie um ein kleines Mädchen.
    »Ich frage dich nun, Stein mit Hörnern«, begann Tschetansapa wieder, »ob du bereit bist, uns das zu sagen, was wir noch wissen müssen.«
    »Den tapferen und aufrichtigen Männern unter euch bin ich bereit zu antworten. Aber auch ich habe dann eine Frage zu stellen.«
    »Das magst du tun. Sage uns jetzt: Warum hast du deinen Bruder getötet, der noch ein Kind war?«
    »Schonkawakon hat meinen Bruder, der noch ein Kind war, so lange als den Sohn eines Verräters verhöhnt, bis Harpstennah seine Festkleider anzog, das Messer darunter verbarg und herbeikam, um einen Watschitschun zu töten und dabei tapfer vor den Augen seines Vaters und seines älteren Bruders zu sterben. Ich habe meinen Bruder getötet, weil mein Vater von mir, seinem Sohn, verlangte, daß ich jeden töte, der uns mit der Waffe in der Hand begegnet. Sonst wollte mich Mattotaupa in den Weiberrock stecken und niederstoßen. Ich war damals selbst noch ein Knabe. Ihr könnt urteilen; auch Harpstennahs Blut verlangt Rache. Hau.«
    »Warst du dabei, als die Leichen verstümmelt wurden?« fragte Tschetansapa weiter.
    »Nein. Mein Vater und ich kamen später.«
    »Wir glauben dir. Welche Frage hast du an uns?«
    Stein mit Hörnern sah sich um. Der Morgen graute. Nach dem Willen Hawandschitas brach die Todesstunde an. Der Gefangene hörte die Trommel und dachte daran, daß er sterben müsse, nachdem er zehn Sommer und Winter seine jungen Kräfte in einem verderblichen und vergeblichen Kampf verzehrt hatte. Er dachte auch wieder an seinen toten Vater. Er dachte an Red Jim, der entwichen war, und er dachte an Hawandschita, der in seinem Zauberzelt trommelte und der mit dem ersten Strahl der Sonne aus dem Zelt hervorkommen würde. Der Geheimnismann war bis jetzt überhaupt nicht auf dem Kultplatz und zur Versammlung erschienen. Das zeigte, daß er unversöhnlich war.
    »Wo ist Tschapa Kraushaar?« fragte der Gefangene.
    Der Krieger trat vor.
    »Tschapa Kraushaar! Sprich die Wahrheit!« rief Stein mit Hörnern ihn, zwischen Feuer und Rauch um Luft ringend, an. »Wer hat die weißen Männer, und unter ihnen auch Red Jim, wissen lassen, daß es in den Jagdgefilden der Bärenbande Gold gebe und daß der Häuptling Mattotaupa das Geheimnis besitze? Denn nicht von ungefähr ist Red Jim mit großen Geschenken und Miniwaken zu uns an den Pferdebach gekommen! Sprich!«
    Tschapa Kraushaar schwieg entsetzt.
    »Sprich!« rief Stein mit Hörnern ihm zu. Die Flammen und der Rauch bedrängten ihn noch stärker, denn Schonka schürte das Feuer nach Kräften.
    Im Osten kam der erste Schimmer des Tages auf; die Sterne verblichen.
    »So sprich!« sagte auch Tschetansapa, heftig und zornig, zu Tschapa Kraushaar.
    »Was soll ich wissen, Männer?« fragte Tschapa wie gelähmt. »Ich habe geschworen zu schweigen!«
    Durch die Zuhörer ging eine stumme Bewegung.
    »So werde ich sprechen!« sagte Stein mit Hörnern und trat einen Schritt weiter vom Pfahle ab, um noch einmal Atem zu haben. »Das Goldkorn, das ich als Knabe, ganz unwissend, am Flußufer bei den Schwarzen Bergen gefunden hatte, warf mein Vater in das Wasser, damit es für immer verborgen sei. Du, Tschapa Kraushaar, hast es herausgeholt. Hawandschita, ja Hawandschita, mögen auch alle seine Geister mich verfolgen, ich sage es, Hawandschita nahm das Korn aus deiner Hand, Tschapa Kraushaar! Er wies es den Pani und Watschitschun vor, und so hat er deinen Vater Fremde Muschel befreit, und du hast geschworen und schweigst. Red Jim aber hatte das Gold in der Hand Hawandschitas gesehen und ist zu unserem Verderben in unsere Zelte gekommen. Ich habe gesprochen, hau.«
    Stein mit Hörnern verstummte. Er trat zurück, zwischen Flammen und Rauch, und plötzlich war er ganz erschöpft. Die Hitze und die Rauchvergiftung wirkten wieder auf ihn ein. Es wirkte das Wissen, daß er nun das letzte Wort

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