Heimkehr zu den Dakota
daß Donner vom Berge neben ihm stand, sagte er leise zu dem Blutsbruder: »Wäre es nicht besser, wenn diese Knaben auch als Männer künftig nicht aufeinander schießen, sondern sich gemeinsam gegen die weißen Landräuber wehren würden?«
Donner vom Berge zögerte etwas mit der Antwort. »So weit denkst du schon voraus«, sagte er dann nur.
Die Blutsbrüder gingen noch zusammen rund um den Festplatz. Aus vielen Zelten klangen schon die Zauberlieder, die die Männer und Häuptlinge diese Nacht hindurch singen wollten, um das Kultfest des kommenden Tages würdig einzuleiten. Die Töne waren leise, gedämpft wie die Farben des Abends, in die sich das Land ringsum hüllte. Auch die Knaben, die den Tag über ihre Kampfspiele getrieben hatten, waren still geworden, nicht aus Müdigkeit, aber aus Scheu vor dem Geheimnis, das sich vorbereitete. Sie verschwanden in den Zelten, um den Liedern ihrer Väter zu lauschen. Die Hundemeuten lagen im Grase, sie waren satt. Die Pferde weideten rings um das Lager; nur wenige Reiter nahmen ihre Tiere jetzt noch in Anspruch.
Bei dem Zauberzelte der Siksikau-Gruppe, die von Brennendes Wasser geführt wurde, lag ein langer Fichtenstamm. Stein mit Hörnern und Donner vom Berge wußten, daß es der für das Sonnenopfer bestimmte Kultpfahl war.
Hufschlag ließ sich hören, eine kleine Schar jugendlicher Reiter galoppierte heran. Sie hatten Fichten- und Tannenzweige von weither geholt, um am nächsten Tage den Opferplatz damit abzugrenzen. Als sie die Zweige bei dem Fichtenstamm niedergelegt hatten, begannen einige ältere und hoch angesehene Frauen, ein Gerüst um den Opferplatz aufzustellen. Das war bald getan, und Frauen und junge Burschen zogen sich zurück.
Aus dem Zauberzelte trat der Geheimnismann heraus. Er verabschiedete zwei andere Zauberer, die bei ihm zur Beratung und zu Gast gewesen sein mochten. Dieses beiden gingen langsam miteinander weiter. Der eine war Assiniboine, der andere ein Dakota. Stein mit Hörnern erkannte Tatanka-yotanka und versuchte, unauffällig auszuweichen, aber er konnte einem kurzen Blick des Dakota nicht entgehen, und aus diesem Blick sprach eine ernste und unverhohlene Trauer.
Während die Blutsbrüder sich zu dem eigenen Tipi zurückbegaben, klangen nicht nur aus den Zelten, sondern schon rings aus Nacht und Prärie die schwingenden Töne des Sonnentanzliedes der Siksikau: »heh, heh, hei, hoh … hei … h … h!« und mischten sich mit dem Gesänge der Assiniboine und der Dakota. Als Stein mit Hörnern und Donner vom Berge im Häuptlingszelt mit Brennendes Wasser zusammen gegessen hatten, stimmte auch dieser sein Zauberlied an. Die Frauen, Sitopanakis kleiner Bruder und die Blutsbrüder lauschten. Als der erste Gesang des Liedes geendet hatte, sah Brennendes Wasser die beiden jungen Krieger lange und prüfend an und teilte ihnen mit, daß sie die Nacht bei dem Geheimnismann verbringen sollten. Auch das war ungewöhnlich und verstärkte die Erwartung auf einen besonderen Zauber. Vibrierend wie eine Trommel unter leisem Schlage, so empfanden alle Bewohner des Häuptlingszeltes die Hoffnung auf einen großen und ruhmreichen Tag mit der kommenden Sonne.
Die Stimme des Herolds erklang, während Stein mit Hörnern und Donner vom Berge zu dem Zauberzelt hinübergingen. Der Ausruf er gab bekannt, daß das Fest nicht erst um die Mitte des Tages, wenn die Sonne im Zenit stand, sondern bei Sonnenaufgang beginnen würde. Schon in die ersten Strahlen, die die große Lebenspenderin am Morgen sandte, sollten die Opfernden hineinblicken, wie es die Regel des »in die Sonne Sehens« forderte.
Als die beiden jungen Männer das Zelt des Geheimnismannes betraten, begannen Dämmer, Stille und ein eigentümlicher Duft auf sie zu wirken. Es war die Welt der Geister des Zauberers. Die suggestive Kraft dieses Mannes berührte jeden, der in dem Glauben an die Kraft des Zaubers erzogen war. Der Geheimnismann winkte den beiden jungen Kriegern, sich am Feuer bei ihm niederzulassen. Für ihre Pfeifen gab er ihnen einen besonderen Tabak. Das »Trinken« des Tabaks, der Lungenzug, galt, insofern es eine Kulthandlung war, als ein Opfer für die Sonne. Der Zaubermann rauchte ebenfalls und saß lange Zeit still am Feuer. Hin und wieder schob er einen Zweig tiefer in die kleinen Flammen, damit sie nicht ganz verlöschten.
Seinen jüngeren Gehilfen hatte er weggeschickt. Vor diesem Sonnenopfer schien alles so bedeutend zu sein, auch die kleinste Hantierung, daß er sie selbst
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