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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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einer selten bestandenen, besonders schweren Form vor sich gehen sollte. Donner vom Berge fürchtete nicht für seine eigene Kraft. Er war sich bewußt, daß er das Außergewöhnliche leisten konnte.
    Aber in seinem starken, gut geübten Körper wohnte, vereint mit Mut und Ausdauer, auch eine große Weichheit der verborgenen Empfindungen. Er freute sich darauf, und er sehnte sich danach, nach der Sitte seines Stammes in den letzten Tagen und Nächten vor dem Sonnentanze mit seinem Blutsbruder allein zu sein, stumm die Gedanken auf gleicher Bahn laufen zu lassen, schweigend das gleiche zu fühlen, mit ihm unter der großen Sonne und unter dem gelben Mond über die Steppe zu gehen und zu wissen, daß ein jeder für den anderen das Leben zu geben bereit sein würde.
    In den vergangenen Tagen der Wettbewerbe hatte es hin und wieder Augenblicke gegeben, in denen Donner vom Berge seinen Blutsbruder Stein mit Hörnern nicht mehr verstanden hatte. Er wollte das volle Verstehen einer herben Freundschaft wiederfinden. Es war Abend geworden.
    Stein mit Hörnern hatte sich auf sein Lager im Zelt fallen lassen und schien sofort eingeschlafen zu sein. Donner vom Berge stellte die eigenen Wünsche zurück. Wenn die Sonne aufging, wollte er mit Stein mit Hörnern hinausreiten, und wenn die Sonne wieder sank, wollte er mit ihm in die nächtliche Einsamkeit gehen und sich mit ihm zusammen auf das große Opfer vorbereiten, das schon mehr als einmal einem jungen Krieger das Leben gekostet hatte.
    Donner vom Berge schlief spat ein, später als sonst, und erwachte nicht so früh, wie er es von sich gewohnt war. Als er sich umsah, war Stein mit Hörnern schon nicht mehr im Zelt. Es wußte auch niemand, wohin er gegangen sein konnte.
    Donner vom Berge bezwang seine Enttäuschung und fing an, seinen Blutsbruder zu suchen. Auf dem ganzen Festplatz, bei allen Zelten streifte er umher. Die meisten Tipi waren aufgeschlagen, um die frische Morgenluft hereinzulassen. Aber in keinem der Zelte saß Stein mit Hörnern, und nirgends auf dem großen Festplatz war er zu sehen, auch nicht bei den Pferden.
    Nebenbei fiel Donner vom Berge auf, daß die Knaben alle verschwunden schienen. Er widmete dem keine besondere Aufmerksamkeit, faßte aber doch einen, der eben quer über den Festplatz rannte, und fragte ihn: »Wo steckt ihr alle? Und hast du Stein mit Hörnern irgendwo gesehen?«
    »Der ist doch draußen bei uns!« rief der Junge, ließ sich auch nicht länger halten, sondern rannte westwärts, bachaufwärts, davon.
    Donner vom Berge folgte ihm mit seinen großen Schritten und fand die ganze Knabenhorde, Siksikau, Dakota und Assiniboine, weiter oben am Bach versammelt. Hier gab es etwas Gesträuch. Der Boden war welliger, das Bachbett tiefer. Die Jungen saßen im Kreise wie Krieger, meldeten sich jeweils zu Wort und berieten, wie Donner vom Berge gleich erfaßte, einen sehr komplizierten Kriegsplan gegen die weißen Männer. Stein mit Hörnern saß bei den Jungen und leitete diese Ratsversammlung.
    Donner vom Berge ließ sich bei dem Freunde nieder und spielte sogleich mit, als ob er nur zu diesem Zweck hierhergekommen sei. Es wurde ihm warm bei dem Eifer der Jungen und bei dem aufmerksamen Ernst, mit dem sich Stein mit Hörnern den Kindern widmete. Als die Beratung beendet war, begann das eigentliche Kriegsspiel. Die Jungen gruppierten sich, schlichen, schössen mit stumpfen Pfeilen, und Stein mit Hörnern beobachtete und kritisierte scharf. Es war sehr schwer, bei ihm ein Lob zu ernten, um so schwerer wog aber auch die Anerkennung, wenn er sie einmal aussprach. Die Verständigung ging sowohl in der Sprache der Siksikau als auch in der Dakotasprache vor sich, und die Zeichen verstanden auch die Assiniboine ohne Schwierigkeit. Stein mit Hörnern nahm das Spiel so ernst, daß er den ganzen Tag für nichts anderes Zeit fand, und die Jungen hingen noch des Abends an ihm wie die Kletten und stellten ein Frage nach der anderen. Denn hier war ein Krieger, der ihnen von den weißen Männern Wirkliches und Wahres und viel mehr berichten konnte, als sie je gehört hatten. Mit dem Sieger in allen Wettbewerben, der den Sonnenschild getroffen hatte, der die Kette aus Bärenkrallen trug und der am kommenden Tag durch den Sonnentanz gehen wollte, konnten sie sprechen wie mit einem älteren Bruder.
    Als es endlich dem Abend zuging und Stein mit Hörnern die Jungen verabschiedete, schaute er den davoneilenden glückstrahlenden Kindern noch nach, und als er bemerkte,

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