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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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zusammen wieder entfernen, als Tschotanka neben Tashunka-witko trat und ein Zeichen gab, daß er sprechen wolle. Stein mit Hörnern blieb daraufhin noch stehen.
    »Stein mit Hörnern!« (»Tokei-ihto!« in der Auflage von 1965) Der Krieger sprach nicht laut, aber langsam und verständlich, so wie er auch in der Ratsversammlung der Bärenbande zu sprechen pflegte. »Du bist mit deiner Schwester Uinonah heimlich in der Nacht zusammengekommen. Was habt ihr besprochen?«
    Der Angeredete faßte die Büchse etwas fester. »Nichts.«
    »Wenn du schweigen willst, kann ich dich nicht zum Reden bringen.« Tschotanka schien gekränkt und erbittert, wahrscheinlich nicht nur durch das Verhalten des jungen Kriegers. Wie dieser seine Schwester kannte, hatte auch sie nichts ausgesagt.
    »Ich schweige nicht, sondern ich habe dir wahrheitsgemäß geantwortet«, sagte Stein mit Hörnern.
    »Uinonah berichtete mir, sie habe dich gesucht, nicht du sie. Das kann ich kaum glauben.«
    »Wer will dich zwingen, es zu glauben? Ich an deiner Stelle würde diese Worte auch bezweifeln.«
    Tschotanka betrachtete die Spitze seiner Mokassins und schien zu überlegen. »Du hättest besser getan, deine Schwester in Ruhe zu lassen und sie nicht in Verdacht zu bringen. Sie ist ein Mädchen, du aber bist ein Krieger. Die Schuld liegt bei dir.«
    »Hau, so ist es. Was willst du noch?«
    »Nichts! Wir sind fertig.« Tschotanka wandte sich ab. Die beiden jungen Krieger gingen schnell zu den Ihren zurück.
    Schon rief der Herold aus, daß das neue Spiel beginne.
    Bei dem Spiel der wahren Begebenheiten war es schon mehr als einmal vorgekommen, daß alte Gegner nicht ausgetragene Zwistigkeiten vollends austragen wollten und das Spiel unversehens blutiger Ernst wurde. Beide Parteien hatten daher sowohl Tashunka-witko als auch Mattotaupa ermahnt, sich nicht von ihrem Haß hinreißen zu lassen, sondern den Festfrieden unverbrüchlich zu wahren. Die Waffen konnte man ihnen nicht abnehmen. Die darzustellenden Kämpfe waren mit der Waffe geführt worden. Die Szenenfolge begann mit dem Augenblick, als Tashunka-witko des Nachts das Zelt im Siksikaudorf beschlich, in dem sich eine Gefangene seines Stammes befand, und den Knaben Harka, der unter einer Zeltplane herauslugte, packte, überwältigte, fesselte, knebelte und zu entführen trachtete. Tashunka-witko spielte sehr naturwahr, und Stein mit Hörnern empfand den Knebel nicht als angenehm, doch war es etwas anderes, als Mann eine üble Lage zu spielen, als wirklich hineinzugeraten, solange man noch ein Knabe war. Als Tashunka-witko den in sieben Jahren groß und wenn auch nicht schwer, so doch schwerer gewordenen Harka über die Schultern geworfen hatte, um ihn wegzuschleppen, dachte der mit Decke und Knebel blind und stumm gemachte daran, wie sein Leben wohl verlaufen wäre, wenn in jener Nacht nicht Mattotaupa mit den Siksikau, sondern Tashunka-witko und seine Dakota gesiegt hätten. Dann wäre Stein mit Hörnern jetzt der jüngere Bruder Tashunkas gewesen und als Sieger in den Wettbewerben von allen als einer der künftigen Oberhäuptlinge der Dakota betrachtet worden. Denn damals stand noch keine Blutrache zwischen dem Knaben Harka und seinem Stamme.
    Stein mit Hörnern wurde zu Boden geworfen, die Decke aufgeschlagen, der Knebel wurde ihm aus dem Schlund genommen, und er schrie auf, so wie er damals aufgeschrien hatte.
    Mattotaupa kam herbei, mit Sätzen wie ein Berglöwe. In dem Augenblick, in dem er ansetzte, um Tashunka-witko anzuspringen, sprang auch dieser. Die Männer prallten in der Luft zusammen.
    Mit lauten Rufen ringsum wurde der Zweikampf der Häuptlinge bewundert, den diese mit äußerster Selbstzucht genau so durchführten, wie er sich vor Jahren abgespielt hatte. Mattotaupa atmete schwer/Ihn nahm dieser Kampf im Spiel viel härter mit als vor Jahren im Ernst, und wenn Tashunka-witko jetzt hätte Ernst machen dürfen, wäre er vielleicht schon Sieger geworden, bevor die fünf Siksikau eingreifen konnten. Mattotaupas Züge wirkten nach dem Kampfspiel schlaff und verfallen.
    Die Szenenfolge wurde fortgesetzt. Der äußere Ablauf der aufregenden und wechselvollen Ereignisse fesselte die Zuschauer so, daß sie alles als unmittelbare Wirklichkeit zu erleben glaubten. Nicht nur die Knaben hatten heiße Wangen. Einige aber von den Spielern, die das selbst Erlebte wiedergaben, wurden von Momenten besonders betroffen, die der großen Zahl der Zuschauer in ihrem inneren Gewicht nicht voll faßbar

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