Heimlich Fee 4: Wie ein Zauber alles auf den Kopf stellte (German Edition)
nett – was nicht heißt, dass sie nicht verdammt wütend werden kann!
Normalerweise wirkt sie jedoch wie eine liebe Großmutter. Sie steckt ihr graues Haar immer zu einem Knoten hoch. Ihr Gesicht ist rundlich und ihr Bauch ebenso. Aber das darf man Erwachsenen ja nicht sagen. Eine Brille trägt sie übrigens auch.
Wir zwölf Mädchen nahmen sofort auf unseren Bänken Platz. Nur noch zwei Tage bis zur Prüfung, da wollten wir kein Wort unserer Lehrerin verpassen.
„Guten Morgen, liebe erste Klasse“, begrüßte sie uns. „Ich hoffe, ihr habt das Wochenende genutzt, um euch auf Mittwoch vorzubereiten.“
Wir nickten alle, bis auf Nelly. Sie sah aus dem Fenster und hatte noch nicht einmal die Frage mitbekommen. So selig, wie sie guckte, träumte sie wahrscheinlich von dem Konzert mit Elli Elfenbein.
Ich stupste sie mit dem Ellenbogen an. Aber es war sowieso schon zu spät.
„Und du, Nelly?“, wollte unsere Lehrerin wissen. „Wie steht es mit dir?“
„Gu-gut!“, flunkerte Nelly wenig überzeugend. Nelly hat einfach ein zu reines Herz, um andere anzulügen. In diesem Fall hätte ihr Herz aber ruhig ein kleines bisschen schmutziger sein können.
„Na, dann zeige uns doch bitte mal, was du geübt hast“, sagte Rosamunde. „Mische eine Zaubersalbe, um Muffeltrolle abzuschrecken.“
Nelly konnte nicht kneifen. Mit gesenktem Kopf stand sie auf und ging zu unserer Lehrerin. Auf dem Tisch vor den beiden lagen jede Menge Kräuter und der Mörser, um alles klein zu stampfen.
„Äußerste Konzentration, meine liebe Nelly!“, forderte Rosamunde. „Schon ein Tröpfchen zu viel oder zu wenig kann die Salbe unbrauchbar machen. Oder noch schlimmer: das Gegenteil bewirken!“
Das sind ihre Lieblingssätze. Ich wünschte nur, Nelly hätte besser darauf gehört.
„Weißdorn!“, flüsterte ich ihr zu. „Einunddreißig Gramm geriebene Weißdornblätter!“
Nelly ließ sich nicht anmerken, dass sie keinen blassen Schimmer hatte. Sie nahm hiervon etwas und davon, zerbröselte es und rührte es in einer Schale zusammen.
Mir schien, dass sie von allem ein bisschen zu viel hineingetan hatte. Aber soooo gut konnte ich die Rezepte halt auch noch nicht.
Ehe Rosamunde eingreifen konnte, hatte Nelly sich mit einer Handvoll Salbe den rechten Arm eingerieben.
Buff! machte es. Dicker Qualm quoll aus dem Boden, wo Nelly eben noch gestanden hatte.
Mia sprang sofort ans Fenster und riss es auf.
Der Rauch zog ab – und vor uns stand ein Muffeltroll! Ich schwör’s, ein richtiger Muffeltroll! Doppelt so groß wie ich und mit viel mehr Haaren.
Vor Schreck machte mein Herz einen Satz. So abscheulich sah das Biest aus! Zwischen den aufgeplatzten Lippen leuchteten ein paar gelbe Zähne. Ungefähr sechsundfünfzig. Die Augen waren ebenso gelb und weit aufgerissen.
Als das Ungeheuer das Maul öffnete, waberte ein widerlicher Gestank durch das Klassenzimmer. Jetzt wusste ich, wieso diese Kerle Muffel trolle heißen. Was ich nicht wusste, war, wo ich mich verstecken sollte.
„… wir sind einmalig, elfenbeinig, oberfeenstark! Grunz!“ , sang der Troll. Mit Nellys Stimme!
Da kapierte ich es endlich. Nelly hatte keinen Muffeltroll herbeigezaubert. Sie hatte sich selbst in einen verwandelt!
Aber war sie gefährlich? Und vor allem: Wie lange würde sie nun so herumlaufen müssen?
Auch eine alte, freundliche und sehr gemütliche Fee kann laut schimpfen. Sehr laut sogar, das weiß ich jetzt.
Rosamunde Silberträne befahl Nelly Muffeltroll in barschem Ton, sich zu setzen.
Nelly, obwohl sie nun fast doppelt so groß war wie unsere Lehrerin, gehorchte. Sie kauerte sich im Schneidersitz auf den Boden. Falls es ihr unangenehm war, ein Muffeltroll zu sein, konnte sie es jedenfalls bestens verbergen.
Nelly sang immer noch den Hit von Elli Elfenbein: „… wir sind einmalig, elfenbeinig, oberfeenstark! Grunz!“ Ab und zu klatschte sie dazu in ihre zotteligen Hände.
Und wir Mädchen? Wir waren sprachlos. Sogar Freia schaffte es, ein paar Minuten lang ihr Schandmaul zu halten. Zehn Feen und ein Menschenmädchen starrten Nelly in ihrer veränderten Form an, verfolgten jede ihrer Bewegungen. Jeder Laut, den sie von sich gab, brannte sich in unser Gedächtnis.
Rosamunde Silberträne jedoch hatte zu tun. Eilig holte sie ihr Rezeptbuch aus der Ledertasche und blätterte darin herum.
„Nichts als Scherereien hat man mit euch!“, murmelte sie vor sich hin.
Endlich schien sie gefunden zu haben, wonach sie suchte. In Windeseile
Weitere Kostenlose Bücher