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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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wenn ich mich vor Esther unbedingt verhüllen und doch unbedingt offen vor ihr dastehen wollte, dann gab es da vielleicht doch irgendetwas zu verbergen und damit auch zu enthüllen. Jedenfalls vor ihr, vor ihr konnte es etwas geben, dachte ich, und ich muss sie sehr ernst angesehen haben, denn sie erschrak, worüber ich wiederum lachen musste, sodass wir schließlich beide erleichtert lachten. Ich wickelte mir das Handtuch um die Hüften und sagte noch immer lachend:
    »Aber vor allem falle ich gleich um vor Hunger. Ich habe seit heute Morgen nichts gegessen.«
    »Wenig elegante Ablenkung!«
    »Gar keine Ablenkung – wer sich nicht schämen will, soll auch nicht essen, oder wie das noch mal heißt, also gib mir was zu essen! Hast du nicht irgendwas in deiner Tasche da?«
    Sie ging in die Hocke, hielt mit der einen Hand ihr Handtuch über der Brust fest und kramte mit der anderen in der Tasche herum, zog dann eine Kliniktüte Nüsse und Trockenobst hervor und reichte sie mir achselzuckend:
    »Das ist alles, was ich habe.«
    »Hm, sehr satt macht das nicht. Es wird einem eher übel davon.«
    »Ich weiß.«
    Ich zog sie hinter mir her in einen der verlassenen Patientenstrandkörbe am Wasser, in dem es bis nach Sonnenuntergang warm und still sein würde, und wir aßen schweigend, bis ich die leere Tüte in den Sand warf.
    »Und es schmeckt auch nicht besonders, oder?«
    »Ich weiß«, sie lehnte sich zurück, blinzelte in die kräftige Abendsonne und gähnte. »Das Zeug ist immer muffig, wie alles, was sie uns in die Zimmer legen, aber ich bin außerstande, mir was anderes zu besorgen, geschweige denn irgendwas selber zu machen, ich kann mir nicht mal ein Brot schmieren, das ist mir schon zu viel. Aber wenn du willst, könnte ich versuchen, da oben irgendwo eine Pizza zu holen, das wär mal eine echte Leistung.«
    »Nein, bleib hier.«
    Ich küsste sie beiläufig auf die Schulter und ebenso beiläufig wand sie sich aus dem Strandkorb.
    »Ich muss sowieso pinkeln gehen. Ich bin gleich wieder da.«
    Und weg war sie, um zwanzig Minuten später mit einem Pizzakarton und noch immer im Handtuch und barfuß wieder aufzutauchen, und ich fragte sie verwirrt:
    »Warst du so da oben, nur im Handtuch, an all den Leuten vorbei?«
    »Ja, wieso?«
    »Schämst du dich gar nicht?«
    »Nein, wieso, ist doch mir egal, sind doch alles Arschlöcher, sitzen da jeden Abend nackt bei ihrer Wiedergeburt im Kreis rum, wofür sollte ich mich schon schämen?«
    »Ähm … ja, aber sie sind Patienten, und du kannst dafür eine Verwarnung kriegen, und …«
    »Die krieg ich sowieso, ich müsste seit zwei Stunden wieder zurück sein – hier, iss schon!« Sie hielt mir strahlend den Karton hin. »Ich hab sie selbst gekauft! Und es ist immer noch nicht dunkel, ist das nicht verrückt?«
    »Ja, und wenn heute die Sonne untergeht, dann müssen wir nur eine gute Stunde in der Dunkelheit warten, und dann kommt der Sommer.«
    »Wie?«
    »Na, um Mitternacht – um Mitternacht ist Sommeranfang.«
    »Ach ja. Aber dann sollten wir nicht mehr hier sein«, sie küsste mich flüchtig. »Wir sollten schnell noch den letzten Bus nehmen. Seit wann musst du zurück sein?«
    »Ich hab’s vergessen, jedenfalls seit weit mehr als zwei Stunden.«
    »Ist es nicht komisch, dass sie uns nicht holen kommen – noch nicht mal anrufen?«
    »N-nein … ja, doch, ist schon komisch. Aber vergiss es, erzähl mir lieber was von dir.«
    »Das ist nicht dein Ernst!«
    »Doch, mach schon«, ich legte meinen Hinterkopf auf ihren Schoß, wofür ich mich in dem engen Strandkorb ziemlich verrenken und meine armen Beine nach draußen schicken musste. »Du kannst auch ruhig lügen.«
    »Nein, das wäre mir zu anstrengend.«
    »Du meinst, ich wäre den Aufwand nicht wert.«
    »Das hast du gesagt«, sie strich mir die Haare aus der Stirn. »Sind deine Haare gefärbt oder sind sie wirklich so schwarz?«
    »Lenk nicht ab, Pizza bitte, und erzähl endlich!«
    »Na gut, da gibt’s ja nicht viel zu sagen – ganz schöner Dreck!« »W-was?«
    »Die Pizza.«
    »Oh – ja, aber auf die Idee muss man immerhin auch erst mal kommen, die Tschebureki von letzter Woche auf diesen für immer gefrorenen Teig zu schneiden, schmeckt aber trotzdem irgendwie gut, oder?«
    »Ja stimmt, auf eine ekelhafte Art …«
    »Hm, und jetzt lenk nicht weiter ab.«
    »Na schön: An meiner tiefsten Stelle messe ich zweitausendzweihundertfünfundvierzig Meter, an meiner seichtesten etwa hundert Meter. Mit einer

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