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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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liebe Seele Ruh … nein, nein, wegen so was würd ich Sie doch nicht … Ich wollte Ihnen nur kurz sagen, dass der Luftröhrenschnitt, den Sie gestern an der blauen Dame gemacht haben, Ihnen ganz famos geglückt ist, sauberer Schnitt, wirklich sauber. War doch Ihr erster, oder?«
    »Mein… äh…? Oh – ja.«
    »Sehr gut, mein Junge, nicht dass ich was anderes von Ihnen erwartet hätte, nicht umsonst sind Sie einer meiner besten Studenten, ja, und ich wollte Ihnen nur schnell sagen, dass Sie jetzt die Drehzahl genauso hoch halten müssen, nicht runter vom Gas bis zur Auszeichnung, denn unter Umständen habe ich was im Sinn mit Ihnen, noch nicht spruchreif, nur so viel: Es gibt da Pläne, ein neues Klinikprojekt, eine Umwandlung, hoch klassifiziert, ich bin in Gesprächen, sagen wir mal so, geht noch um die Modalitäten, Kuhhandel ist nichts dagegen, ich kann also jetzt noch nichts Genaueres …, aber Sie verstehen, von Stern.«
    »Oh … vielen Dank, Herr Dr. Karg, ich …«
    »Gut, das wär’s fürs Erste, ich wünsch Ihnen was, grüßen Sie schön.«
    »Ja … danke, vielen Dank.«
    Ich war schon fast aus der Tür, als er mich noch einmal zurückrief:
    »Ach, da Sie schon mal … tun Sie mir einen Gefallen und schauen Sie mir schnell einen Aufsatz durch, nur das Gröbste, musste das gestern schnell zu Ende schlampen, weil die das Ding bis vorgestern haben wollen, die machen mich wahnsinnig, wirklich wahnsinnig, und wenn Sie grad dabei sind, übersetzen Sie’s auch schnell, ja?«
    »Natürlich, klar.«
    »Gut, ich schick’s Ihnen rüber, reicht bis morgen früh, ich danke Ihnen ganz herzlich, von Stern, schönen Tag.«
    Und schon summte es erneut, und freundlich winkte er mich hinaus, während er gemütlich belästigt in sein Telefon fragte:
    »So, was haben wir jetzt wieder?«
    Nun nicht mehr nur äußerlich, sondern auch innerlich vollkommen lautlos lief ich zurück auf meine Station, und ich kann mich nicht erinnern, was ich dort in den nächsten Stunden getan habe. Irgendwie muss ich meine Schichten mit irgendjemandem getauscht haben, denn ich selbst wäre weder an diesem Morgen noch am Nachmittag in der Lage dazu gewesen, meinen Pflichten nachzukommen.
    Ich weiß nur, wie ich abends mit vor Müdigkeit brennenden Augen in meinem kühlen Zimmer am Rechner saß, mich in den tatsächlich wüst zusammengeschlampten Aufsatz von Dr. Karg über hygienische Risiken der nichtoperativen Defloration einlas und mich, gerade weil seine unsaubere Forschung so knapp, aber gründlich danebenlag, fragte, ob er mir nur allzu deutlich sein Verständnis zeigen oder aber mir gar nichts zu verstehen geben wollte und die Sache ein völlig bedeutungsloser Zufall war. Nach ein paar unbehaglichen Minuten entschied ich mich für letztere Lesart, denn wenn der Sinn einer Sache doppelt verschoben und verdreht vor mir liegt, dann will man mir höchstwahrscheinlich gar nichts zu verstehen geben, und so korrigierte ich zügig die gröbsten Fehler, ohne den Unsinn der ganzen Angelegenheit anzutasten, übersetzte die Sache noch schnell und vergaß sie noch schneller.

28.
    So schnell war ich wohl doch nicht, denn es war drei Uhr morgens, als ich mich endlich ins Bett legte und Esther anrief, aber weil sie Nachtbereitschaft hatte, ging sie natürlich nicht ran. Kurz darauf war ich eingeschlafen, und drei Stunden später, die mir wie drei Minuten erschienen, summte der Wecker, und ich dachte schlaftrunken, dass drei mal drei ja tatsächlich neun sind und meine neunmalgeliebte neunmalkluge Esther keine Beatrice ist, nicht irgendein dahergelaufenes oder eher bloß mal an einem vorbeigelaufenes Weibsbild, sondern wirklich und wahrhaftig … ja was denn eigentlich? Naja, du eben.
    In alter neuer Frische erledigte ich meine Morgenschicht, wechselte der vormals blauen, jetzt fröhlich weißen und unausgesetzt plappernden Dame ihren Luftröhrenverband, schnitt einem im Arm seiner verzweifelten Mutter schreienden einheimischen Säugling einen Eiterbeutel unter dem linken Lidrand auf, sodass das dahinter verschollene Auge glücklich wieder zum Vorschein kam, unterrichtete eine Gruppe von hüftgelenklädierten älteren Patienten in den Weisen-Posen des Marichi, Großvater des Sonnengottes, um sie therapeutisch so weit auf ihre bevorstehenden Operationen vorzubereiten, dass ihnen eine lange Rehabilitation möglichst erspart bliebe, ging dann rundum zufrieden mit mir für eine Stunde aufs Laufband und hielt durchgehend mühelos meine höchste

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