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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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der ganze Himmel.«
    »Er ist nicht untergegangen, er hat sich nur aufs Meer gelegt.«
    »Vielleicht ist er dann aber ersoffen.«
    »Nein, ist er nicht, er ist ein exzellenter Schwimmer. Komm her!«
    »Franz?«
    »Hm?«
    »Du wirst es niemandem erzählen, oder? Ich möchte nicht, dass das hier in einem deiner Stimmungsberichte oder sonst wo wieder auftaucht, ja?«
    »Ja, ist gut, und jetzt mach das dämliche Handtuch endlich weg, das ist ja lächerlich.«
    »Versprich es!«
    »Ich versprech’s.«
    Kaum hatte ich es ausgesprochen, bist du aufgesprungen, hast dir das Handtuch vom Leib gerissen, um es dann jedoch mit seltsamer Pedanterie ordentlich auf dem Sand zu unseren Füßen auszubreiten, wie ein Neurotiker, der jeden Sonntag von neuem versucht, sich mit einem Picknick auf der überfüllten Wiese seine Normalität zu beweisen. Über diesem schwierigen Unterfangen des korrekt passgenauen Handtuchausbreitens vor einem Strandkorb schienst du deine Nacktheit und vor allem auch mich ganz vergessen zu haben. Verwirrt schaute ich eine Weile zu, bis ich lachen musste:
    »Dumm, dass du kein Maßband dabei hast. Naja, du kriegst das schon irgendwie hin. Weck mich, wenn du damit fertig bist!«
    »Ist gut, mach ich«, du lachtest zurück, strecktest dich dann seitlich auf deinem blöden Handtuch lang aus, den Kopf lässig in die Hand gestützt, und ich verstand, dass du hilflos versuchtest, Zeit zu gewinnen, um deine Unsicherheit zu kaschieren oder eher sie sogar loszuwerden. Eine Weile herrschte Schweigen, dann verkündetest du steif sachlich:
    »Also, was ganz gut ist, es ist Monatsende, und ich kann daher nicht schwanger werden. Das Problem ist nur: Ich hab das noch nie gemacht, und äh … du müsstest also wohl etwas vorsichtig sein, nehme ich an.«
    Bevor ich dir mit eingekreideter Stimme alle Vorsicht der Welt hätte zusichern können, zogst du mich mit einem Seemannsruck zu dir herab, warfst deine dünnen Arme stumm jubilierend um mich und küsstest mich mit solch rück- und hinterhaltloser Glut, dass ich mein gesamtes ambitioniertes choreographisches Repertoire einschlägig pornographischer Asanas vollkommen vergaß, mich in nüchterner Trunkenheit still ergab und ohne mich groß zu bewegen in dir versank.

27.
    Als ich am Morgen, kaum wieder in mein Zimmer zurückgekehrt, zu Dr. Karg, meinem Führungsarzt, gerufen wurde, war ich auf das Schlimmste gefasst, und während ich durch die marmornen Flure treppauf treppab hetzte, vollkommen lautlos wegen meiner Latexarztsandalen, und mir mit leicht zitternden Fingern das frische weiße Hemd zuknöpfte und den Kittelkragen glättete, versuchte ich, die Folgen meines Dispenses, Suspenses oder dessen, was auch immer mich nun erwartete, abzuschätzen und legte mir schon die ersten Sätze einer vor meinem Vater aufzuführenden Apologie zurecht.
    Dr. Karg empfing mich mit gewohnt freundlich zerstreutem Lächeln, telefonierte wie üblich und ließ mich durch einen Wink seiner arthritisch gekrümmten Maulwurfshand auf dem Stuhl vor seinem riesigen, mit Papieren und Patientenbildern übersäten Schreibtisch Platz nehmen, derweil er dahinter auf und ab ging, eine Weile hmhmhm sagte und schließlich das Gespräch mit seinem obligatorischen Gut, ja, aber das müssen wir dann wirklich später besprechen beendete.
    »So, das hätten wir, elende Nervensäge, schaffen Sie sich nie mehr als einen Assistenzarzt an, ich sag’s Ihnen, aber gut … Von Stern, mein Lieber, was kann ich für Sie tun?«
    »Ähm … ich … Sie haben mich rufen lassen, Herr Doktor.«
    »Ah ja, natürlich«, noch immer stand er, beugte den Kopf nun tief über seinen Schreibtisch, streichelte seinen kugelrunden, braungebrannten kahlen Schädel und klopfte mit einem krallenartigen Zeigefinger abwechselnd auf zwei kleine, nebeneinanderliegende Kernspinbilder von einem Lendenwirbel. »Mensch, was schickt der Idiot mir das noch mal rüber, was soll ich denn damit …?«
    »Herr Doktor, ich möchte mich ausdrücklich für mein Fernbleiben gestern entschuldigen, ich hatte –«
    »Schon gut, das brauchen Sie mir doch nicht erklären, von Stern, ich geh bei Ihnen davon aus, dass Sie schon Ihre Gründe haben«, erst jetzt sah er zu mir auf und bündelte sein zerstreutes Lächeln in meinen Augen zu einem warmen hellblauen Strahl. »Sie sind schließlich erwachsen, auch wenn die Idioten da oben das in ihrer Rapportsucht nicht verstehen wollen. Darf man nicht weiter ernstnehmen, schicken Sie paar Zeilen hoch und dann hat die

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