Heimliche Sehnsucht: Mittsommergeheimnis (German Edition)
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“Dein Wunsch ist mir Befehl”, sagte er, doch natürlich kaufte sie ihm kein Wort ab. “Ach, übrigens”, fügte er hinzu. “Ich muss geschäftlich für ein paar Tage fort aus Dvägersdal. Gleich morgen früh geht es los.” Linnea wollte gerade erleichtert aufatmen und konnte ihr Glück kaum fassen, als er hinzufügte: “Und du wirst mich selbstverständlich begleiten.”
Etwas mehr als zwei Stunden später, inzwischen war die Nacht über Schweden hereingebrochen, hatte Linnea ihr Gepäck in das geräumige Gästezimmer gebracht, in dem sie für die Zeit ihres Aufenthalts in Kristians Haus wohnen sollte. “Vorerst”, waren seine Worte gewesen, doch sie fühlte sich zuversichtlich, dass es ihr gelingen würde, diesen Status quo beizubehalten. Ihre Pensionswirtin war zwar überrascht gewesen, dass sie so schnell wieder abreisen wollte, hatte ihr dann aber problemlos eine einzelne Nacht berechnet.
Linneas Mietwagen parkte neben dem Haus. Ihr war es lieber, für die Dauer ihres Aufenthalts über einen eigenen fahrbaren Untersatz zu verfügen. Sie wollte nicht ganz von Kristian abhängig sein und hatte deshalb den Vertrag mit dem Autoverleiher telefonisch verlängert.
Jetzt trat Linnea hinaus auf den Balkon, über den Kristians Gästezimmer verfügte. Im Grunde wunderte es sie schon, dass Kristian nicht zumindest versucht hatte, sie zu überreden, in seinem Schlafzimmer zu übernachten. Dieses Entgegenkommen passte eigentlich gar nicht zu ihm.
Bist du verrückt? Er zwingt dich, zwei Wochen Tag und Nacht an seiner Seite zu verbringen, um im Gegenzug der Auflösung einer Verbindung zuzustimmen, die seit Jahren nur noch auf dem Papier existiert, und du sprichst von Entgegenkommen?
Doch was brachte es, sich darüber aufzuregen? So war Kristian nun einmal. Linnea hatte ihn früher nicht ändern können, und es würde ihr auch ganz bestimmt jetzt nicht gelingen. Er interessierte sich bloß für einen einzigen Menschen auf der Welt: sich selbst. Nur leider hatte sie das erst viel zu spät erkannt. Sie trat an die hölzerne Brüstung des Balkons und schaute hinaus auf den nächtlichen See, in dem sich die Lichter von Dvägersdal, das sich vom nordwestlichen Ufer bis zu den Bergen erstreckte, spiegelten. Darüber spannte sich der schwarzblaue Himmel, an dem Millionen und Abermillionen von Sternen funkelten.
Linnea hatte ganz vergessen, wie das war. Selbst in einer besonders klaren Nacht konnte man in London nicht einmal halb so viele Sterne erkennen. Es war ein herrlicher Anblick voller erhabener Schönheit, der die eigenen Sorgen und Probleme für einen Moment klein und unbedeutend erscheinen ließ. Doch ganz gleich, wie nichtig diese angesichts der unfassbaren Weite des Universums auch sein mochten – Linnea musste einen Weg finden, sie zu lösen.
Seufzend fuhr sie sich mit der Hand durch ihr haselnussbraunes Haar und wollte gerade ins Zimmer zurückkehren, als vom Garten her laute Stimmen an ihr Ohr drangen. Annika und Kristian stritten miteinander. Linnea brauchte gar nicht zu hören, was gesprochen wurde. Es war auch so klar, dass es um sie ging.
Ihre Schwiegermutter war sicher nicht besonders angetan vom Plan ihres Sohnes, und sie gehörte nicht zu der Sorte von Frauen, die ihre Meinung für sich behielten. Es war bestimmt nicht leicht, sich gegen Annika durchzusetzen, doch Linnea konnte nicht behaupten, dass Kristian ihr leidtat. Ganz im Gegenteil sogar. Er bekam lediglich das, was er verdiente. Sie trat vom Balkon und schloss die Tür hinter sich, als sie durch die Scheibe eine Gestalt unten am Flussufer zu sehen glaubte. Die Gestalt eines Mädchens.
Audrey …
Nein, das kann nicht sein! Das hast du dir nur eingebildet!
Linnea kniff die Lider zusammen. Ihr Herz klopfte so heftig, als wolle es jeden Moment zerspringen, und ihre Kehle war wie zugeschnürt. Gänsehaut überzog ihre Arme, dabei war es wohlig warm im Inneren des Raumes.
Nein, nein, nein!
Es kostete sie große Überwindung, die Augen wieder zu öffnen. Sie fürchtete sich vor dem, was sie sehen würde. Was, wenn sie wirklich dort war?
Doch das Ufer des Lillälv lag verlassen da.
Es musste an all den irritierenden Erinnerungen liegen, die seit ihrer Rückkehr nach Dvägersdal auf sie einstürmten, dass sie plötzlich anfing, überall Gespenster zu sehen. Trotzdem beunruhigte es sie mehr, als sie sich selbst eingestehen wollte.
Mit zitternden Fingern griff Linnea nach den beiden Vorhanghälften und zog sie zu. Dann schlang sie die
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