Heimliche Sehnsucht: Mittsommergeheimnis (German Edition)
bleiben. Die Beziehung der beiden Frauen war nie die allerbeste gewesen. Noch zu Lebzeiten ihres Vaters noch lebte, hatte es schon Spannungen zwischen ihnen gegeben. Nach seinem Tod aber …
Linnea zwang sich, die unliebsamen Erinnerungen, die über sie hereinzubrechen drohten, abzuschütteln. Dies war weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt für so etwas.
Mit einem Seufzen ließ ihre Mutter einen fertig geschälten Apfel in einen kleinen, mit Wasser gefüllten Metalleimer fallen, in dem bereits mehrere Äpfel schwammen. Dann legte sie das Küchenmesser neben sich auf die Bank und blickte zu ihrer Tochter auf. “Du hast wohl kaum erwartet, dass ich dich mit offenen Armen empfangen würde, nicht wahr? Nach allem, was du angerichtet hat.”
“Angerichtet?” Irritiert schüttelte Linnea den Kopf. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, worauf ihre Mutter hinauswollte.
Sie
war es, die jeden Grund besaß, mit der Vergangenheit zu hadern – sonst niemand. “Tut mir leid, aber ich habe keine Ahnung, wovon du eigentlich sprichst.”
“Das ist wieder einmal typisch für dich, Linnea. Ich wette, du hast die vergangenen Jahre ausschließlich damit verbracht, dich selbst zu bemitleiden. Aber hast du auch nur eine Sekunde daran gedacht, was es für die Menschen in deinem Umfeld bedeutet hat, dass du von einem Tag auf den anderen einfach so ins Ausland verschwunden bist?” Sie warf ihrer Tochter einen vorwurfsvollen Blick zu. “Für mich? Und für Ludvig?”
Bei der Erwähnung ihres Stiefvaters konnte Linnea ein abfälliges Schnauben nicht unterdrücken. “Ludvig? Du willst doch hoffentlich nicht behaupten, dass er wegen meines Weggehens sonderlich traurig gewesen ist!”
Ihre Mutter kniff die Augen zusammen. “Man merkt, dass du deinen Vater nicht richtig gekannt hast.”
“Stiefvater”, stellte Linnea richtig. Ihre Mutter mochte vielleicht vergessen haben, dass es vor Ludvig noch jemand anderen in ihrem Leben gegeben hatte – sie jedoch nicht. “Und mir reicht das, was ich über ihn weiß, vollkommen. In meinen Augen war er ein herrischer und verbitterter Mann, und nichts was du sagst, kann mich von dieser Meinung abbringen.”
“Bist du nur deshalb zurückgekommen? Um das Andenken deines Stiefvaters, Gott hab ihn selig, zu beschmutzen?”, fragte Stina Eklund aufgebracht. Sie stand auf und hob den Eimer mit den Äpfeln so energisch an, dass das Wasser über den Rand schwappte. “Nun, wenn das so ist, dann kannst du gleich wieder gehen! Ich bin in den vergangenen sechs Jahren sehr gut ohne dich zurechtgekommen, und ich werde es auch weiterhin schaffen.”
Mit diesen Worten ließ sie ihre Tochter einfach stehen und ging ins Haus. Für einen Moment war Linnea wie erstarrt, dann fuhr sie sich traurig durchs Haar.
Das hatte sie nicht gewollt …
Eigentlich war sie in der Hoffnung hergekommen, endlich Frieden mit ihrer Mutter schließen zu können. Doch nun schien eine Aussöhnung in immer weitere Ferne zu rücken. Dabei war sie die ewigen Kämpfe so leid! Sie wollte doch nichts weiter, als ihr Leben zu leben, und zwar so, wie sie es für richtig hielt. War das denn wirklich so schwer zu akzeptieren?
Für dich schon, nicht wahr, Mutter?
dachte sie bitter, und sofort keimte die alte Wut wieder in ihr auf. So lange sie zurückdenken konnte, versuchte ihre Mutter nun schon, etwas aus ihr zu machen, was sie nicht war. Im Grunde unterschied sie sich damit gar nicht so sehr von Ludvig, wobei der seinen Kontrollzwang wenigstens nicht im Verborgenen ausgelebt hatte.
Sie warf noch einen letzten frustrierten Blick in Richtung Haus, ehe sie zu ihrem Kombi zurückkehrte. Die kurze Begegnung mit ihrer Mutter hatte ihr eines ganz klar gemacht: dass es für sie nur eine Zukunft gab, und zwar zu Hause in London mit Miles an ihrer Seite. Alles andere gehörte einem anderen Leben an, und Schweden spielte für sie nur noch eine Rolle: als Handlungsort ihrer Krimis. Und genau deshalb musste sie alles dafür tun, um ihre Vergangenheit endgültig hinter sich zu lassen.
Als Linnea sich nun hinters Steuer ihres Wagens setzte und den Motor anließ, hatte sie einen Entschluss gefasst.
Es war schon recht spät am Abend, als Linnea ihren Mietwagen auf dem Schotterweg nahe des Seeufers abstellte. Obwohl es tagsüber schon recht warm wurde, spürte man nach Sonnenuntergang doch noch deutlich, dass der Winter nicht allzu lange zurücklag. Fröstelnd zog sie ihre dünne Strickjacke enger um ihren Körper, als
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