Heimliche Sehnsucht: Mittsommergeheimnis (German Edition)
ihres zukünftigen Schwiegervaters in Linneas Heimat stattfinden sollte, vorzubereiten.
Er konnte ja nicht ahnen, dass sie in Wahrheit hier war, um eine Katastrophe abzuwenden.
Doch sofort regte sich ihr schlechtes Gewissen. Miles war ein guter Mann, und er liebte sie – doch sie hatte nichts Besseres zu tun, als ihn zu belügen.
Stellst du dir so den Start in eine perfekte Ehe vor?
Nein, natürlich nicht. Aber wie sollte sie ihm sagen, dass sie ausgerechnet Kristian, der Liebe ihrer Jugendtage, einen Besuch abstatten wollte?
Kristian, ihrem Ehemann …
Sie schüttelte den Kopf. Nein, in dieser Angelegenheit war sie ganz auf sich allein gestellt.
Aus den Augenwinkeln nahm Linnea ein Blitzen wahr. Als sie sich umdrehte, fiel ihr ein Wagen auf, den sie vorhin schon bemerkt hatte. Es handelte sich um einen Jeep, der oben auf der Straße nach Dvägersdal parkte.
Linnea runzelte die Stirn. Am Steuer saß ein dunkelhaariger Mann, der etwas in der Hand hielt, von dem die Lichtblitze ausgingen. Ein Fernglas?
Beobachtet der mich etwa?
Sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. War das nicht …?
Sie schüttelte den Kopf. Aber nein, Unsinn! Um das genau sagen zu können, war die Entfernung einfach zu groß. Es konnte praktisch jeder sein.
Und dann fuhr der Wagen auch schon davon, und kurz darauf war er gänzlich aus ihrem Blickfeld verschwunden.
“Linnea? Bist du noch da?”
Sie räusperte sich hastig. Sie hatte gar nicht wahrgenommen, dass Miles die ganze Zeit über mit ihr gesprochen hatte. “Ja, natürlich”, sagte sie rasch. “Hör zu, die Verbindung ist hier nicht allzu gut. Ich melde mich heute Abend bei dir, okay?”
Sie beendete das Gespräch und wollte gerade erneut aufs Haus zugehen, als eine weibliche Stimme hinter ihr erklang.
“Sieh mal einer an, wenn das nicht die Linnea ist!”
Linnea erstarrte. Mehr als sechs Jahre lang hatte sie diese Stimme nicht mehr gehört, doch sie hätte sie unter tausend anderen wiedererkannt. Gehörte sie doch zu einer Person, die sie unweigerlich mit dem schicksalhaftesten Ereignis ihres Lebens verband.
Mit dem Ereignis, das vor fünfzehn Jahren schlagartig ihre Kindheit beendet hatte.
Langsam drehte sie sich um. “Malin”, sagte sie heiser und blinzelte gegen die Sonne an, während sie ihr Gegenüber betrachtete. Malin hatte sich in den vergangenen Jahren kaum verändert: Ihr aschblondes Haar trug sie, wie früher, zu einem Zopf zurückgebunden. Ein paar Strähnen hatten sich daraus gelöst und umrahmten das blasse schmale Gesicht, in dem große wasserblaue Augen schimmerten. Linnea hätte sie weder als schön noch als hässlich bezeichnen können. Malin war einfach … anders. Sie hatte etwas Unwirkliches, fast schon Ätherisches an sich, das einen entweder faszinierte oder abschreckte. Wäre sie in luftigen weißen Gewändern herumgelaufen, sie hätte wie eine Elfe aus dem Märchen ausgesehen. Doch man bekam Malin eigentlich immer nur in der Kleidung zu Gesicht, die sie auch jetzt trug und die aus löchrigen, mit Grasflecken übersäten Jeans, einer einfachen karierten Baumwollbluse und roten Gummistiefeln bestand. Linnea räusperte sich. “Es ist lange hier”, fuhr sie fort. “Wie geht es dir?”
“Gut”, sagte Malin schlicht, wobei sie einen Punkt etwa zehn Zentimeter oberhalb von Linneas rechter Schulter zu fixieren schien. Nur mit Mühe widerstand Linnea der Versuchung, sich umzudrehen, um nachzusehen, ob jemand hinter ihr stand. Malin besaß eine ganze Anzahl leicht verschrobener Eigenarten – die, ihrem Gegenüber niemals direkt ins Gesicht zu sehen, war eine der auffälligsten.
“Ist meine Mutter da?”, fragte Linnea.
Malin schien über die Frage ein paar Sekunden nachdenken zu müssen, doch schließlich schüttelte sie den Kopf. “Ich kümmere mich um den Garten”, sagte sie dann. “Willst du die Krokusse sehen?”
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sie sich um und verschwand im Garten. Linnea unterdrückte ein Seufzen und folgte ihr. Sie wusste aus Erfahrung, dass es keinen Sinn hatte, Malin zu etwas zu drängen. Sie war vielleicht ein bisschen zurückgeblieben, konnte aber auch stur wie ein Maulesel sein.
“Malin, kannst du mir sagen, wo meine Mutter ist und wann sie zurückkommen wird?”, versuchte Linnea es trotzdem erneut. Sie fühlte sich einfach nicht wohl in Malins Nähe.
Nicht seit jener schicksalhaften Mittsommernacht am
Trollfjällen
vor fünfzehn Jahren.
Sie zwang sich, ihre Gedanken in eine andere,
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