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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Abendlicht waren die Silhouetten zweier Männer auf dem Bug auszumachen. Es schien, als liefen die beiden Schiffe auf einen gemeinsamen Punkt zu, der weiter draußen, in der Mitte des Golfes, auszumachen sein mußte und, von der Mole aus gesehen, die Spitze eines Dreiecks bildete, dessen Schenkel die weißen Gischtspuren im Meer waren. Die Männer standen der Innenseite des Dreiecks zugewandt und hielten die Waffen im Anschlag. Die Schiffe waren nur noch als Punkte zu sehen, und auch der Lärm der Maschinen ebbte allmählich ab. Sie hatten sich weit von der Stadt entfernt und die Positionslichter eingeschaltet. Die Sonne war zu dreiviertel im Meer versunken, lange Schatten warfen sich bereits mächtig über den Golf. Die letzten Schaulustigen hatten sich auf den Heimweg gemacht und sich mit ihren Fahrzeugen in die lange Kolonne eingereiht, die in die Stadt zurückkehrte. Die Uferpromenade gehörte jetzt ganz allein den Anglern.
    Morgen würde man im »Piccolo« lesen können, was passiert war. Der Artikel würde der Aufmacher des Lokalteils sein und eine dicke Schlagzeile tragen: »Haialarm. Panik zum Sommerende – Nachforschungen der Capitaneria, mit zwei Einheiten im Einsatz, auf den ganzen Golf ausgeweitet«.

Vienna International Airport,
    12. Juli 1999
    Dr. Otto Wolferer schob den linken Ärmel seines Jacketts mit zwei Fingern zurück und schaute zum wiederholten Mal auf das Zifferblatt seiner Cartier. Sein Besucher müßte jetzt jeden Augenblick eintreffen. Der Airbus 320 der Swissair mit der Flugnummer SR 10 aus Zürich war pünktlich gelandet, das hatte er gesehen, als er kurz vor 17 Uhr das Flughafengebäude auf der Ankunftsebene betrat, nachdem er seinen Wagen mit dem Behördenkennzeichen im Parkhaus auf einem reservierten Platz abgestellt hatte.
    Wolferer war ein Mann von noch nicht fünfzig Jahren und mittlerer Statur. Er trug graue Hosen aus feinem Kammgarn, einen marineblauen Zweireiher mit goldenen Knöpfen, ein weißes Hemd mit rotblaugold gestreifter Krawatte und glänzende braune Halbschuhe. Leicht gebräunter Teint. Randlose Brille mit goldenen Bügeln, kurz geschnittenes dunkelblondes Haar, das an den Schläfen in Grau überging. Ein Siegelring an der linken Hand. Man sah Wolferer an, daß er es in seinem Leben zu einigem Wohlstand gebracht hatte. Ein Mann der internationalen Flughäfen.
    Er wartete wie verabredet im Restaurant »Schanigarten«, an einem Tisch etwas abseits der anderen Gäste. Vor sich hatte er ein aufgeschlagenes Nachrichtenmagazin, in dem er lustlos blätterte, daneben stand ein Glas Bier auf der rot-weiß karierten Tischdecke, und neben ihm auf dem Stuhl lag ein dunkelbrauner lederner Aktenkoffer mit goldglänzenden Scharnieren und einem Zahlenschloß. Bisweilen hob Wolferer den Blick und schaute suchend in die Menge der ankommenden Reisenden und ihrer Abholer.
    Das Geschäft, das er hier abzuschließen hatte, eignete sich nicht für sein Büro am Kärntner Ring. Manche Dinge verlangten Diskretion. Als ehemaliger SPÖ-Politiker und Ex-Staatssekretär wollte er sich nicht in der Stadt verabreden. Zu viele hätten ihn dort erkannt, und außerdem mußte sein Geschäftspartner wenig später weiter. Sie hatten es schon öfter so gemacht. Es war der zuverlässigste Weg. Man besiegelte ein bereits im Detail besprochenes Geschäft mit Handschlag und übergab die notwendigen Unterlagen, indem man einfach die Aktenkoffer austauschte, die identisch waren bis hin zum Code des Zahlenschlosses. Nur einem sehr genauen Beobachter hätte auffallen können, daß sie die Besitzer wechselten. Dann würde man über ein neues Projekt sprechen und das weitere Vorgehen vereinbaren. Nach höchstens einer Stunde wären beide wieder unterwegs, er, Wolferer, mit dem Wagen zurück in die Wiener Innenstadt, wo er erst in seiner Wohnung den Koffer öffnen würde. Sein Geschäftspartner würde die Rolltreppe hinauf zur Abflugebene nehmen und durch den Schalter verschwinden.
    »Entschuldigen Sie, daß Sie warten mußten, aber an der Paßkontrolle war viel los.« Wolferer kannte diese harte Stimme mit dem Akzent der Südosteuropäer gut. Er mußte sich umdrehen. Der Mann im schwarzen Anzug mit dunkelblauem Hemd und graublauer Krawatte war ganz offensichtlich aus einer anderen Richtung gekommen. Er gab Wolferer die Hand, stellte seinen Aktenkoffer unter den Tisch und setzte sich ihm gegenüber.
    »Ich hoffe, Sie hatten einen guten Flug, Herr Drakic«, antwortete Wolferer. »Was trinken Sie?«
    »Ein Bier«,

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