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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Triest war eine beinah haifreie Zone.
    Auch an diesem Sonntag im September 1977 liefen die Schiffe der Capitaneria aus. Sie machten sich aber noch nicht auf die Jagd, sondern sollten eilig die Badenden entlang der Küste warnen. Mit den städtischen Seebädern hatte man es leichter, es genügte, die Pächter anzurufen.
    Schwieriger war die Situation am westlichen Golf, wo die Triestiner die Costa dei Barbari, die hohen und weiß schimmernden Kalksteinfelsen der karg bewachsenen Steilküste, hinuntergeklettert waren, um abseits des Trubels den Nachmittag zu genießen. Bis in die fünfziger Jahre hinein, vor dem Beginn des industrialisierten Fischfangs, fanden Thunfischschwärme den Weg hierher und wurden von kleinen Häfen aus mit einfachen Booten gejagt. Schwarzgewandete Fischersfrauen trugen den Fang in Körben auf den Köpfen hoch in die weit über dem Meer gelegenen Fischerdörfer auf dem Karst. Der Aufstieg auf über zweihundert Höhenmeter dauerte mehr als eine halbe Stunde, auf steilen Pfaden, die sich zwischen den terrassierten Weinbergen emporschlängelten. Später wichen die Fischer den Freizeitkapitänen, und die Baracken für die Fischereigeräte wurden von den Badenden übernommen.
    Am schwierigsten war es, die Menschen auf den Segelschiffen und Motorbooten zu warnen, die bevorzugt in diesem Teil des Golfs ankerten und den Nachmittag bei gemächlichem Schaukeln der Boote und unter aufgespannten Sonnensegeln an sich vorüberziehen ließen. Obwohl es eher unwahrscheinlich war, daß es zu einer Begegnung mit dem Hai kam, mußte ein Schiff der Küstenwache sich auf den Weg zur Costa dei Barbari machen und die Badenden warnen. In den städtischen Badeanstalten und in Grignano war derweil kein Mensch mehr im Wasser. Die Badeleitern im alten Bad »Ausonia« waren längst eingezogen, und die Badegäste spähten gespannt und aufgeregt aufs Meer hinaus, ob sie nicht doch eine Rückenflosse die Wellen durchschneiden oder einen Schatten der Bestie im Wasser sehen könnten, die sie aus ihrem Sonntagnachmittagsvergnügen aufgeschreckt hatte. Sie wollten wenigstens ein bißchen für die Aufregung belohnt werden, doch der Hai tat ihnen diesen Gefallen nicht. Schließlich entvölkerten sich langsam die Strände, Uferpromenaden und Molen. Gegen 19 Uhr wagten sich die Mutigen, die Unbekümmerten, die Kopflosen und die wenigen Touristen wieder ins Wasser, um ein letztes erfrischendes Bad zu nehmen, bevor die Sonne als feuerroter Ball in der Lagune von Grado versank. Weit hinaus schwamm allerdings keiner mehr.
    »Tergeste VI« kreuzte im östlichen Teil des Golfes etwa eine viertel Seemeile vor der Stadt. Dort wurde der Hai dreimal kurz hintereinander gesichtet. Es war das neueste Schiff der Capitaneria, eine »Akhir 21 Sport«, mit zwei MAN-Turbinen und insgesamt mehr als tausendzweihundert Pferdestärken. In großen weinroten Lettern zog sich der Schriftzug »Guardia Costiera« an beiden Seiten des Schiffsrumpfs entlang und wurde durch einen breiten weinroten und von weitem erkennbaren Streifen betont, der sich am Bug schräg abfallend bis unter die Wasserlinie zog. Drei Männer standen auf Deck. Zwei hielten Harpunen in ihren Händen, der dritte ein Gewehr.
    Als das Heck des Schiffes plötzlich tief ins Meer eintauchte, der Bug sich hob, das aufjaulende Dröhnen der Maschinen den Raum bis zum Ufer erfüllte und eine gewaltige Wolke weißen Gischts von den Schrauben aufgewühlt wurde, blieben selbst diejenigen nochmals an der Mole stehen, die ihre Badesachen schon eingepackt hatten und sich auf den Heimweg machen wollten. Sie stellten ihre Taschen ab und hoben eine Hand vor die Augen, um von der tief stehenden Sonne, die sich lange auf der Wasseroberfläche brach, nicht geblendet zu werden. Das Schiff beschleunigte mit großer Kraft, der Bug hob sich immer weiter aus dem Wasser. Die drei Männer hielten sich an der Reling fest, ließen mit der freien Hand die Karabinerhaken der Leinen an den Gurten einrasten, die sie über die Oberkörper gekreuzt trugen und die sie mit dem Schiff verbanden, damit sie nicht durch den harten Aufprall des Rumpfes auf einer Welle über Bord geschleudert wurden.
    Von Grignano kommend sah man kurz darauf »Tergeste II« mit hoher Bugwelle durch das Wasser pflügen, eine »Hatteras«. Sie war ein älteres und deutlich kleineres Schiff als die fünfzehn Meter lange und schnelle Schwester und stammte noch aus der Beschlagnahme in einem Schmuggelfall. »Tergeste II« war dafür wendiger. Im

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