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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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interessiert.
    »Entschuldigen Sie bitte die Verspätung«, begrüßte ihn Decantro. »Ich mußte noch auf mein Zeugnis warten.«
    »Und sind Sie damit zufrieden?« fragte Laurenti.
    »Es geht so, aber meine Artikel sprechen ja für sich.«
    »Wann fahren Sie ab?«
    »In drei Stunden. Übermorgen fange ich beim ›Corriere‹ an.«
    Die Idee kam Laurenti drei Stunden bevor sie in die Via dei Porta aufgebrochen waren. Er war sehr aufgeregt und wägte unablässig die Risiken ab. Schließlich sprang er über seinen Schatten und rief Decantro an. Noch während er wählte, war er unsicher, ob er nicht doch besser auflegen sollte. Der Journalist war über die Maßen erstaunt, Laurenti zu hören, stimmte dann aber doch zu, sich mit ihm zu treffen, als der von einer geheimen Sache sprach. Laurenti hatte seinen staubigen Wagen vom Parkplatz geholt und eine Querstraße hinter dem »Piccolo« gewartet. Es war besser, daß sie sich nicht in einer Bar träfen, wo sie vielleicht jemand erkennen würde. Nach einer Viertelstunde war Decantro auf dem laufenden. »Bringen Sie vor allem Ihren Fotoapparat mit«, mahnte Laurenti, »und wenn irgend etwas von unserem Treffen bekannt wird, reiß ich Ihnen den Arsch auf. Es würde Ihnen sowieso keiner glauben, daß ich mich mit Ihnen getroffen habe, Decantro. Wenn Sie reden, werde ich Sie verklagen und viel Lärm darum machen. Das ist die Chance für Sie, solch eine Geschichte bekommen Sie kein zweites Mal! Denken Sie dran.« Decantro hatte unsicher gelächelt, aber es war klar, daß er begriffen hatte. Und Decantro hatte seine Aufgabe gut erfüllt. Dennoch war er Proteo Laurenti nicht sympathischer geworden. Daß er sich hier mit ihm traf, geschah nur aus Anstand. Decantro hatte darum gebeten, mit ihm zur Aussöhnung einen Kaffee zu trinken.
    »Wie ging es weiter?« fragte er und rührte mit dem Löffel in der Tasse.
    »Jetzt wartet fast nur noch der Papierkram«, sagte Laurenti. »Überschaubar … Der Questore konnte dem Präfekten klarmachen, daß es so schlecht doch nicht gelaufen ist. Die Untersuchungskommission bleibt uns erspart. Fossa liegt unter Bewachung im Krankenhaus, seine Frau steht unter Hausarrest. Beide sind suspendiert. Eva Zurbano hat ebenfalls Hausarrest, und Benedetto Rallo sitzt. Die Kollegen von der Guardia di Finanza hoffen noch immer, daß sie eine Verbindung zu Tremani finden. Die Mädchen werden in zwei Tagen abgeschoben. Wenn sie nichts kapiert haben, sind sie bald wieder im Westen. Und von Viktor Drakic fehlt jede Spur.«
    »Und der Präsident der Schiffahrtsvereinigung? Und war da nicht noch einer von der Capitaneria?« fragte Decantro.
    »Ja. Die sitzen beide.«
    »Was wird ihnen vorgeworfen?«
    »Hören Sie, Decantro! Das können Sie sich doch denken! Ich muß jetzt gehen.«
    »Ich hoffe, wir sehen uns einmal wieder, Commissario«, sagte Decantro und gab ihm die Hand.
    »Das hoffe ich nicht, Decantro«, antwortete Laurenti. »Dennoch alles Gute!« Er ließ ihn stehen und wischte sich auf der Straße die rechte Hand an der Hose ab.
    Zumindest statistisch gesehen müßte es für die Polizei in Triest, insbesondere für Proteo Laurenti, jetzt viel ruhiger werden. Sehr ruhig. Statistisch gesehen hatte er sein Jahrespensum an Kriminalfällen bereits übererfüllt. Man war schließlich in Triest und nicht in Mailand oder Neapel. Allein die nächtlichen Kontrollen im Borgo Teresiano mußten fortgeführt werden, aber auch die ließen sich wohl mit wenig mehr als der üblichen Routine bewältigen.
    Proteo Laurenti wollte endlich wieder schwimmen gehen. Der Sommer stand in seiner vollen Größe über dem Golf von Triest. Der Dom von Pirano schillerte weit im Süden im Sonnenlicht, und die Inseln der Lagune von Grado im Westen muteten an, als hüpften sie über dem gleißenden Meer. Die Wassertemperatur betrug fünfundzwanzig Grad, und der Hai war tot. Nur die Ventilatoren im Hof rasselten nachts unvermindert weiter. An einem Abend in vier Wochen sollte die vermaledeite Wahl zur Miss Triest auf der Piazza dell’Unità d’Italia stattfinden. Vielleicht konnte er Livia doch noch davon abbringen, daran teilzunehmen. Große Chancen räumte er sich nicht ein. Die Frauen in der Familie waren schrecklich stur und hatten noch nie auf die Polizei gehört.

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