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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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wieder in Gang. Und was vollends eine Gans anbetrifft, so hat sie noch nie darüber nachgedacht, daß ein solches Tier, ehe Gänsebraten daraus wird, geschlachtet werden muß.
    Man einigt sich dahin: Maria nimmt die Gans auf ihr Zimmer und tröstet sie. Derweil pflegen die Ehegatten der Nachtruhe.
    ***
    Über die Reise ist Gras gewachsen. Frau Hedwig hat ihre Gesangstunden aufgegeben. Kempenich verstand nicht warum und redete ihr zu. Man muß etwas für die Kunst tun, und was sollen die Leute denken, das sieht ja aus, als müßte man sparen. Aber Hedwig wollte nicht. Erstens weil sie keine Lust hatte. Und zweitens überhaupt. Gegen »überhaupt« gibt es keine Widerlegung. Auch ohne Singen ist das Leben schön. Besonders wenn die Sonntagssonne breit auf den Tisch fällt und auf den blaugeblümten Tassen flirrt, und im offenen Fenster der Wind mit den Mullgardinen spielt und Sommergeruch ins Fenster trägt, wenn von der Kirche die mehrstimmigen Sonntagsglocken läuten, und draußen in der Küche der Sonntagsbraten schnurzelt.
    Dann ist Kempenich ein König, steckt sich eine Sonntagszigarre an und blättert gelassen im Sonntagsblättchen. Und Hedwig ist übermütig wie ein Schulmädel, zupft ihm die Zeitung aus der Hand, klettert auf seinen Schoß. Zerwühlt seinen schnurgeraden Sonntagsscheitel und streicht ihm das Haar nach hinten. Es steht ihm nicht schlecht. Aber der dumme Schnurrbart müßte weg.
    Sein Kneifer fällt. Kneifer tun das gern und machen sich dadurch unbeliebt. Eine Brille wäre viel hübscher, vielleicht eine schwarze aus Schildpatt, weißt du? Kempenich hält sich für schön genug und tut beleidigt. Er tut es, um sich lang und ausführlich versöhnen zu lassen.
    Sie fahren wie Ertappte auseinander. Die Maria ist hereingekommen und bringt die Post. Außerdem muß Hedwig jetzt in die Küche.
    Kempenich sieht die Briefe durch und flötet dazu eine seiner atonalen Sinfonien. Da ist die Blitzlichtaufnahme von der Taufe. Die brüllenden Zwillinge sind herrlich anzusehen. Ihr Gesicht besteht aus einem schwarzen Loch. Auch das Strumpfband der kleinen Nichte ist gut getroffen. Dann eine Rechnung vom Dachdecker. Er legt sie ungeöffnet beiseite. Darüber kann man sich am Montag noch ärgern. Über Dachdecker ärgert man sich immer. Das ist ihr Beruf.
    Zuletzt noch etwas Amtliches. Mit blauer Siegelmarke: Polizeiverwaltung. – Für mich? Wieso?
    Er öffnet. Wird rot und blaß. Die lustige Flöte bleibt ihm jählings stecken. Er liest noch einmal, von vorn und hinten, vorwärts und rückwärts, mit und ohne Kneifer. Es bleibt immer dasselbe:
    Ladung – Vernehmung – Montag halb vier – Hoteldiebstahl.
    Böse Bilder, die er in den vierzehn Tagen mühsam zugeschüttet hat, springen wieder auf: Zweimal Logis – Bubi, bist du schon auf –
    Sein nächster Gedanke: Hedwig! Jetzt fehlt nur noch – ruhig – man wird es feststellen – klug und diplomatisch.
    Zu diesem Zweck ruft er die Maria.
    »Paß mal gut auf, mein Kind. Hat meine Frau auch etwas mit der Post bekommen?«
    »Das habe ich ihr gegeben.«
    »Schön. Und was war das, was du ihr gegeben hast?«
    »Das, was mit der Post gekommen war.«
    Kempenich zittert mit den Lippen. »Natürlich. Ich meine, wie das aussah?«
    Maria trampelt zur Tür.
    »Wo willst du hin?«
    »Die Frau fragen.«
    »Du bleibst hier. Ich will nicht, daß du darüber sprichst. Auch mit ihr nicht. Nun hör mal gut zu. Denk, du bist in der Schule. Also frage ich dich, ob das, was du meiner Frau gegeben hast, hinten solch eine blaue Siegelmarke hatte?«
    Er zeigt ihr seine Ladung. Maria hat den Mund offen und knudelt ihre Schürze.
    »Ich will einfacher fragen. Glaubst du, daß es dir, wenn das, was du meiner Frau gegeben hast, hinten eine blaue Siegelmarke gehabt hätte, aufgefallen wäre, daß es hinten diese blaue Siegelmarke hatte? Beziehungsweise gehabt hätte? – Was ist los?«
    Die Maria ist in bittere Tränen ausgebrochen und heult: »Ich habe doch alles abgegeben, was gekommen ist.«
    Nein, für diplomatische Fühlungen ist die Maria weniger geeignet, das muß man schon selber tun.
    Er geht in die Küche. Hedwig steht am Herd und hat gerötete Backen. Das kommt vom Kochen.
    »Was ich sagen wollte«, beginnt Kempenich, aber seine Stimme ist etwas belegt, »was ich noch sagen wollte – hast du was mit der Post bekommen?«
    »Ich? Nein. Wieso? Das heißt, nur eine dumme Drucksache, ich habe sie schon weggeworfen – Was hast du denn bekommen?«
    »Ich? Wieso ich?

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