Rache der Königin
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|7| ERSTES KAPITEL
Als die Belagerung von La Rochelle im November 1628 höchst ruhmvoll für unsere Waffen, für die arme hugenottische Stadt aber
höchst grauenvoll endete, weil im Lauf jenes Jahres über zwei Drittel ihrer Bewohner verhungert waren, bewegten mich sehr
gegensätzliche Gefühle. Einerseits Mitleid, das mich beim Einzug in die unglückselige Stadt angesichts der Hungerleichen überall,
mehr aber noch der wankenden, zum Skelett abgemagerten Überlebenden ergriff. Andererseits aber, auch wenn ich, wie Richelieu
sagte (der ja immer alles über alle wußte), »schon fast Herr auf Schloß Brézolles« war und mich aus begreiflichen Gründen
dort wie zu Hause fühlte, durchströmte mich mit innigster Freude der Gedanke, daß ich endlich nun die Marquise de Brézolles
in Nantes aufsuchen konnte, um sie und ihr Söhnchen, das auch meines war, in mein Herzogtum Orbieu heimzuführen. Als Angehöriger
des Königlichen Hauses, der ich dem König mit Herz und Tatkraft in heiklen und stets dringlichen Missionen diente, welche
Kardinal Richelieu mir in seinem Namen anvertraute, durfte ich freilich ohne Zustimmung meines Herrn weder heiraten noch auch
nur nach Nantes reisen, um Madame de Brézolles erst einmal um ihre Hand zu bitten.
Nun stellte sich aber, bevor ich überhaupt um diese Zustimmung einkam, die Frage: Sollte ich mein Vorhaben zuerst Richelieu
unterbreiten, oder gebührte der Vortritt dem König? Immerhin hielten beide sehr empfindlich auf die ihnen geschuldeten Rücksichten,
der König, weil er in seiner Kindheit von einer lieblosen Mutter und ihren elenden Günstlingen furchtbar geschurigelt worden
war, und der Kardinal, weil er, nachdem er sich nicht ohne Leid und Fleiß in den Königlichen Rat hinaufgedient hatte, doch
noch allerhand von hoher Seite erdulden mußte, bis man seinen Rang anerkannte.
Um beiden gerecht zu werden, entschloß ich mich zu einem Kompromiß: nämlich Richelieu um seinen geschätzten Rat zu |8| bitten, meine Absichten aber dem König darzulegen. Doch schon beim ersten Wort, das ich in der Angelegenheit vorbrachte, unterbrach
mich der Kardinal und sagte unumwunden, Seine Majestät erinnere sich bestens an Monsieur de Brézolles und daran, daß er als
sein Offizier in der letzten Schlacht, die Buckingham von der Insel Ré vertrieb, gefallen war, und wie er, Richelieu, gehört
habe, sei seine Witwe eine in jeder Hinsicht vortreffliche Dame. Wenn ich vorhätte, mich mit ihr zu verbinden, würde Seine
Majestät gewiß nichts dagegen einzuwenden haben.
Hieraus ersah ich, daß der Kardinal bei allen erdrückenden Sorgen und übermenschlichen Anstrengungen, die ihm die Belagerung
von La Rochelle auferlegt hatte, gleichwohl noch begierig nach Auskünften über Madame de Brézolles gewesen war, und ich konnte
mir lebhaft vorstellen, wie tief die Ergebnisse ihn befriedigt hatten.
Denn daraus, daß die Dame von sehr gutem Adel und dazu reich begütert war, daß sie ihre Interessen auch aufs beste vertrat
– wie es ihr Prozeß gegen ihre Schwiegerfamilie ja bewies –, konnte er schließen, daß sie mich gewiß niemals an den Bettelstab
bringen und ich somit der Finanzen Seiner Majestät nicht bedürfen würde, um meine Schatulle aufzufüllen. Des weiteren mußte
ihn sehr beruhigen, daß die Dame stets nur inmitten gediegenen Provinzadels gelebt und also nie von den Giften und Wonnen
im Kreis jener hochnäsigen höfischen Zierpuppen gekostet hatte, die aus purer Lust am Ränkeschmieden nach wie vor gegen den
König und seinen Minister intrigierten, von der Königin und der Königinmutter einmal ganz zu schweigen. Kurz, wenn ich Madame
de Brézolles heiratete, würde ich keine Frau heiraten, die meine guten Anlagen verderben und mich gegen die Macht aufhetzen
würde, wie es leider der Prinzessin Conti mit Bassompierre gelungen war, seit die zwei sich insgeheim vermählt hatten. Was
nun den König anging, der vom Kardinal über alle Madame de Brézolles betreffenden Dinge informiert worden war, so sagte er
mir kurz und knapp, daß er mein Vorhaben sehr gutheiße, war es doch »die vornehmste Pflicht eines Edelmannes, seine Erbfolge
zu sichern«, wie mein Vater, der Marquis de Siorac, mich oft gemahnt hatte, um mir eine Verehelichung nahezulegen.
Allerdings dachte mein Vater nicht daran, daß eine Ehe mir |9| nicht auch Vergnügen bringen sollte, während der König diese tatsächlich nur als eine dynastische Pflicht
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