Heinrich Spoerl
Gestalt.
Hedwig wird noch einen Grad verwirrter. »Herr Kommissar, Sie müssen das richtig verstehen, die Hauptsache ist nämlich – o Gott, ich bin so aufgeregt – ich meine, daß die Sache unter uns bleibt –«
»Versteht sich. Die Polizei ist selbstverständlich verschwiegen.«
»Ich meine in bezug auf meinen Mann.«
»Bedarf keiner Frage. Wo ist denn der Herr Gemahl? Haben Sie ihn nicht mitgebracht?«
»Mitgebracht?? – Ach Gott, Sie hören ja gar nicht zu. Er soll doch davon nichts wissen. Verstehen Sie nicht?«
»Nee.«
»Ich meine, es gibt doch manchmal gewisse Dinge – nicht wahr –«
»Jawohl.«
»Ich meine Dinge – oder erzählen Sie zum Beispiel Ihrer Frau alles?«
»Selbstverständlich – wenigstens im allgemeinen – oder auch je nachdem – höhö, ich bin doch nicht verrückt!«
Hedwig fühlt seinen Blick und sieht zu Boden. »Ich habe vor meinem Manne natürlich keine Geheimnisse. Was denken Sie überhaupt von mir? Andererseits – er hat den Kopf so voll – und eigentlich geht ihn das auch gar nichts an.«
Draußen schlägt es halb vier. Im gleichen Augenblick klopft es, und herein marschiert Kempenich und begrüßt den Kommissar mit übersteigerter Jovialität: »Ah – guten Tag, mein lieber Herr Kom – Hedwig, du bist da?«
»Ja – du auch?«
»Wie du siehst. – Was willst du hier?«
»Ich? Och, eigentlich nichts. – Und du?«
»Ich? Och, eigentlich auch nichts.«
Damit ist der anstrengende Dialog zu Ende. Die Ehegatten stehen sich gegenüber, blicken sorgfältig aneinander vorbei und wissen nicht, wie es jetzt weitergeht.
Nach einer Weile angestrengten Nachdenkens bemerkt Kempenich: »Ja, dann können wir eigentlich wieder gehen.«
»Ja, dann können wir eigentlich wieder gehen«, bestätigt Frau Hedwig. Und schon ziehen sie sich gegenseitig an den Händen zur Tür. Sie waren niemals so einig und so eilig.
»Moment mal!«
Ehe sie wissen, wie ihnen geschieht, hat der Kommissar sie vor seinen Schreibtisch gesetzt und beginnt die Vernehmung.
Die Vernehmung beginnt damit, daß der Kommissar in den Akten blättert und sich ausführlich räuspert. Indessen schwitzen die Gatten Blut. Jeder für sich privat. Und jeder möchte unauffällig in den Boden sinken oder durch das Fenster fahren.
Auch der Kommissar fühlt sich nicht behaglich bei seiner Amtshandlung. Es sind immerhin achtbare Leute, und stehlen tun sie gewiß nicht. Demgemäß beginnt er die Vernehmung mit einer umständlichen Entschuldigung: Es sei natürlich nur eine Formsache, seine persönliche Meinung stehe ja außer allem Zweifel, aber darauf komme es leider nicht an, er tue nur seine Pflicht und so weiter. Und kurz und gut, da sei also in diesem Hotel – hm – Wäsche gestohlen worden. Mit Verlaub zu sagen, Bettwäsche. Tja.
Kempenich lächelt überlegen. Hedwig rümpft das Naschen. Was nicht alles passiert!
»Tja – wie gesagt – Sie wissen wohl von der Sache nichts?«
»Nein!« Herr und Frau Kempenich sagen es gleichzeitig wie aus einem Munde.
»Sie haben auch keine Ahnung, wer vielleicht –«
Wieder ein schnelles doppelstimmiges Nein.
»Kennen Sie überhaupt dieses Hotel – öh –«
»Nein.«
»Warten Sie doch, Sie wissen ja noch gar nicht – es handelt sich um ein gewisses Hotel Monbijou in Köln.«
Köln? Frau Hedwig steht auf. Alle Not und Angst fällt von ihr ab, und sie ist nur noch Entrüstung: »Wieso Köln? Warum sagen Sie das nicht gleich? Was habe ich mit Köln zu tun!«
»Das finde ich allerdings auch«, sekundiert Kempenich und erhebt sich gleichfalls. »Und dann möchten wir Sie auch nicht länger aufhalten.«
Als er mit seiner Frau bereits in der Tür steht, will er sich noch einen guten Abgang verschaffen. Ihn reitet der Teufel. »Ich möchte überhaupt wissen, warum man ausgerechnet uns beide mit dieser Sache belästigt. Ich finde das geradezu lächerlich.«
Das hätte Kempenich lieber nicht sagen sollen. Denn jetzt muß der Kommissar seine Behörde verteidigen. »Soo lächerlich ist das ja nun gerade nicht. Wenn Sie vielleicht mal hier das Fremdenbuch sehen wollen?« Der Kommissar hält ihm die Akten unters Gesicht. Da steht es: »Kempenich und Frau.« Jetzt muß man die Nerven behalten. »Ach so – ja – nein – das heißt – das hat damit ja nichts zu tun. Ach Hedwig, wenn du schon vorgehen willst – das wird dich vielleicht weniger interessieren.«
Nein, sie will nicht vorgehen. Und neugierig ist sie auch. »Was ist denn?
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