Heinrich Spoerl
es heißt ausdrücklich, ob der Angeklagte etwas zu erwidern habe. Wohlgemerkt ob, nicht was!«
»Wer sagt, daß Sie Angeklagter sind? Vielleicht sind Sie Zeuge.«
»Zeuge? Ach nee! Gegen wen richtet sich denn die Untersuchung?«
»Sagen wir mal vorläufig gegen Unbekannt.«
»Und was soll der Unbekannte getan haben?«
»Das wissen wir noch nicht, das wollen wir gerade feststellen.«
»Aha!« sagt Knittel und ist wieder ganz oben. »Und nun soll ich als Zeuge aussagen, ob ein Unbekannter etwas Unbekanntes getan hat.«
Ironie ist keine geeignete Waffe gegen Kinder und Polizisten.
»Wir sind einfache Leute«, sagt der Dicke im Wachstuchsofa. »Auf so einen komplizierten Kram können wir uns nicht einlassen. Wir wollen auch keine Aussage von ihnen, wir möchten nur wissen, wem das Geld gehört. Dafür sind wir Polizei.«
»An meinem Gelde ist nichts Polizeiliches dran.«
»Das wollen wir Ihnen gern glauben, aber das müssen Sie uns erst mal beweisen.«
»Ich muß gar nichts. Geld ist kein Verbrechen, und Sie wären froh, wenn Sie selber welches hätten. Und wenn Sie meinen, daß bei mir was nicht stimmt, dann müssen Sie mir gefälligst beweisen, was, wie und wo.«
Die kluge Rede machte auf die Herren im Loden keinen Eindruck. Der große Gemütvolle versucht es anders herum. »Sie müssen unseren Standpunkt verstehen. Sie werden das Geld nicht gestohlen haben, Sie sind nicht der Mann dazu. Sie haben es auch nicht unterschlagen, das ist bereits nachgeprüft. Gefunden haben Sie es auch nicht, dann wäre der Verlust gemeldet. Folglich haben Sie es von irgend jemand bekommen, den Sie nicht nennen wollen.«
»Schön«, sagt Knittel, »wenn Sie das für wahrscheinlich halten, mir soll es recht sein.«
Der unheimliche Dicke zieht die Schlinge. »Soviel Geld bekommt man natürlich nicht umsonst. Sie sind dem Mann vielleicht gefällig gewesen. Wie das manchmal so kommt, nicht wahr?«
Knittel merkt nichts. »Nun ja, man ist gut erzogen und tut, was man kann.«
»Sehen Sie! Und nun gibt es merkwürdige Leute, die solche Gefälligkeiten mitunter hoch bezahlen, eine kleine Auskunft, es kann auch eine Skizze sein oder ein Photo. Besonders wo Sie Beamter sind und manches wissen, was das Ausland eigentlich nichts angeht.«
Spionage, Landesverrat? Knittel weiß, was das bedeutet. Ein kalter Schreck kriecht ihm den Rücken herunter. Aber jetzt muß er die Nerven behalten. Er lacht dem Mann hell ins Gesicht. »Ach Mensch, was kann man von mir schon erfahren. Wo der Gasometer steht, das wissen die auch so.«
Der Gemütvolle steht auf und ist plötzlich sehr offiziell. »Es braucht nicht gerade der Gasometer zu sein.«
Die Herren legen ihre Lodenmäntel über den Stuhl und schreiten nunmehr zur Haussuchung. Was sie suchen, wissen sie nicht. Sie werden schon etwas finden.
Erika nutzt einen unbewachten Augenblick. »Manne, erzähl denen doch die Geschichte von dem Mann mit dem Scheck.«
»Ich bin doch nicht wahnsinnig!« flüstert Knittel zurück. »Dann laufen die zur Bank und stellen den Mann fest, wer weiß, was der ausgefressen hat, und ich sitze mit drin. Außerdem kann ich das immer noch tun.«
Erika steht mit erschrockenen Augen: »Wie, ist das denn richtig wahr?«
Eine Haussuchung ist ein schmerzhafter, wenn auch notwendiger Einbruch der Staatsgewalt in das Privatleben. Man könnte es Heimsuchung nennen. Die Beamten öffnen Gelasse und Gefäße, Schränke und Schubfächer und stülpen das Innerste nach außen, durchstöbern Bücher und Briefe, beschlagnahmen Löschblätter und Notizbücher, beklopfen die Wände und prüfen die Dielen. Selbst die Kinderbettchen werden durchwühlt. Bübchen und Lotte schreien nach der Mutti und wollen angezogen werden. Bei einer Haussuchung ist jedes Ding wichtig und jedes Ding verdächtig. Die gewissenhaften Herren haben ein Blatt Papier gefunden, das ihr Interesse erregt: »Wollen Sie uns bitte sagen, was das ist?«
»Da habe ich meine Zinsen drauf ausgerechnet.«
»So, und was bedeuten diese eigentümlichen Zeichnungen und Striche?«
»Das sehen Sie doch, hat mein kleiner Junge gemacht. Aber wenn Sie es nicht glauben –« Knittel wartet die Antwort nicht ab; in seinem Übereifer hat er Bübchen schon herbeigeholt. »Sieh mal, Helmut, das hast du doch gemalt?«
Bübchen sieht ernste Gesichter; Bübchen weiß, Pappis Papiere sind heilig. Bübchen kommt auf den Vater zu und sagt vorsichtshalber »nein«. Und bleibt dabei.
Das Blatt wird beschlagnahmt, auch die Kassette mit
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