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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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kriecht durch Ritzen und Türen und zieht seine Kreise. Die Leute grüßen tiefer und sind ein bisschen unsicher, wenn man mit ihnen spricht. Entfernteste Verwandte tauchen auf, um den Sippegedanken zu pflegen; Knittel hat gar nicht gewußt, wie verwandt er ist. Und überall entstehen alte Klassenkameraden und drücken ihm die Hand und sind momentan in Verlegenheit; er entsinnt sich nicht, aber es muß eine große Klasse gewesen sein.
    Auch seine Post wird umfangreich durch zahlreiche Drucksachen. Kleine Leute bekommen keine, aber Knittel ist durch ein unergründliches Spürsystem in die Reihe der kaufkräftigen Bürger einregistriert, man überschüttet ihn mit Weinlisten, Autoreklamen und Reiseprospekten. Sie stehen lang und sperrig aus dem kleinen Blechbriefkasten heraus und erregen öffentliches Ärgernis bei den Leuten, die daneben und darüber wohnen und sich das nicht leisten können.
    Und eines schönen Morgens findet Knittel unter seiner üppigen Post auch einen gelblichen Brief mit einer roten Siegelmarke und dem rechteckig umrandeten Aufdruck: Frei durch Ablösung Reich. Es ist aber nichts Schlimmes. Es ist nur vom Finanzamt.
    Knittel fühlt sich fast ein bisschen geschmeichelt. Das Finanzamt interessiert sich nur für bessere Leute; bei den kleinen wird es als Lohnsteuer erledigt. Außerdem weiß er, Steuern müssen sein, und wer hat, soll auch geben. Mit diesen Betrachtungen öffnet er den Brief. Übrigens ist es keine Veranlagung oder Zahlungsaufforderung, sondern nur eine Vorladung. –
    Als Knittel zum Finanzamt kommt und vor dem Zimmer steht, ist schon jemand drin. Beim Finanzamt ist immer jemand drin. Knittel marschiert wartend vor der Tür auf und ab und überlegt noch einmal: Schlimm kann es nicht werden. Finanzamt bedeutet: Tu Geld in deinen Beutel. Das hat er getan. Und wenn unbequeme Fragen kommen, wird er sie mit Gegenfragen beantworten nach dem Schema: Wie geht es Ihnen? – Gott, wie soll es mir gehen? Er hat zwar irgendwo gelesen, das sei unarisch, aber das braucht er ja nicht zu wissen.
    Nach einer knappen Stunde darf er hinein. Es kommt aber niemand heraus; es war der Beamte aus dem Nebenzimmer, der sich mit seinem Kollegen über die Aufzucht von Wachsbohnen ausgesprochen hat.
    Der Inspektor hat ein freundliches Gesicht. Steuerbeamte haben das immer, wahrscheinlich ist es vorgeschrieben. Sie haben das schonende Lächeln von Krankenschwestern.
    Zunächst wird Knittel jovial eingewickelt: »Nett, daß Sie mal kommen, Herr Knittel, sind ja auch Beamter, fressen aus der Staatskrippe, kennen wir, wenig aber sicher, und dann die Kinder –« Plötzlich eine scharf gestochene Frage: »Was verdienen Sie eigentlich, Herr Knittel?«
    »Zweihundertsechsundachtzig Mark vierzehn.«
    »Und was haben Sie nebenher?«
    Knittel stellt die Gegenfrage: »Was soll ich nebenher haben?«
    »Sie leben auf großem Fuß, Herr Knittel?«
    Knittel fragt zurück: »Von zweihundertsechsundachtzig Mark vierzehn, Herr Inspektor?«
    »Eben!« Der Steuerbeamte blättert in den Akten. Ein handgeschriebener Brief im Zehnpfennigformat wird sichtbar. »Sie haben sich ein schwarzpoliertes Klavier gekauft, halten sich eine Hausgehilfin und sind zweiter Klasse nach Wannsee gefahren. Und ein Telephon haben Sie auch. Sie haben offenbar Nebeneinnahmen.«
    Knittel weicht aus. »Wenn Sie meinen, daß ich vielleicht etwas zu zahlen hätte?«
    »Zunächst mal Umsatzsteuer, Einkommensteuer, Bürgersteuer, Mehreinkommensteuer, Kirchensteuer, noch mehr Einkommensteuer –«
    Knittel hält sich am Stuhl fest: »Wieso Einkommen – wenn ich das Geld aber nur geerbt habe?«
    »Also Erbschaftssteuer, ist allerdings höher. Bitte, wer ist gestorben und unter welchem Aktenzeichen?«
    »Dann Schenkungssteuer, ist aber noch höher. Und natürlich auch Vermögenssteuer, Kapitalertragssteuer –«
    Knittel schwitzt und versucht zu lächeln. Der Steuerbeamte lenkt ein. »Also Spaß beiseite. Sie haben Nebenverdienst, sehr anzuerkennen, Fleiß und Strebsamkeit, muß aber versteuert werden.«
    Knittel bekommt einen Fragebogen in die Hand. Frist eine Woche.
    Den Nebenverdienst will Knittel gern auf sich sitzen lassen, es ist ein guter Ausweg. Aber vor dem Fragebogen hat er Angst. Ein Fragebogen ist kein gewöhnliches Formular, es ist eine auf das Gewissen gerichtete Pistole. Nein, es sind siebenundzwanzig Pistolen, da es siebenundzwanzig Fragen sind, jede einzeln noch mit a und b und Unterabteilungen, und die Fragen sind geheimnisvoll miteinander

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