Heinrich Spoerl
glaubhafter ist.«
»Wie meinen Sie das?«
»Erzählen Sie zum Beispiel, Sie hätten das Geld – sagen wir mal – gefunden.«
»Sie meinen, das klingt besser? – Übrigens wäre das Fundunterschlagung.«
»Eben darum. Das Schlechte wird uns immer geglaubt, das brauchen wir nicht zu beweisen.«
»Aber Herr Doktor! Das geht doch nicht«, entrüstet sich Knittel. »dann hätte sich längst der Verlierer gemeldet, bei dem Betrag! Glaubt mir doch kein Mensch.«
Tja. Die beiden Männer sitzen sich gegenüber und denken nach. Außerdem steht auf Fundunterschlagung Gefängnis.
Auf einmal schnellt Knittel in die Höhe. »Herr Doktor, ich weiß, ich habe das Geld im D-Zug gefunden, was sagen Sie nun, jawohl, im Waschraum hinter einem Brettchen verschraubt, wie die Devisen Schieber das machen, sehen Sie, jetzt ist klar, warum sich keiner meldet, und da ist auch niemand, der Strafantrag stellt, der wird sich schön hüten. Auf diese Weise kann mir gar nichts passieren, gar nichts passieren!«
Der alte Herr ist nicht so schnell mitgekommen. Er gehört zu den Menschen, die langsam denken, weil sie weise sind. Oder ist er weise weil er langsam denkt?
»Mach ich, mach ich«, jubelt Knittel und schüttelt ihm stürmisch die Hand. »Herr Doktor, ich danke Ihnen, Sie sind ein großartiger Mensch! Und auf was für Ideen Sie einen bringen! Ich hätte nie gedacht, daß man mit einem Rechtsanwalt so vernünftig reden kann.«
Der Weltweise hebt den Blick. »Rechtsanwalt? Ach so, Sie wollten zum Anwalt? Das tut mir aber leid, da haben Sie sich verlaufen, der wohnt eine Treppe höher. Ich bin Nervenarzt.«
***
Knittel läuft mit seinem Einfall spornstreichs zur Polizei. Er kann es nicht erwarten. »Meine Herren, der Klügere gibt nach. Wenn Sie durchaus erfahren müssen, wie ich an das Geld gekommen bin. Bitte!« Ein kleines Protokoll wird aufgenommen und verlesen, Knittel unterschreibt und kann gehen.
Der Erfolg bleibt nicht aus. Eines Nachmittags, als er im Rahmen der neu erblühten Ehe seiner Erika beim Abwaschen hilft und die Teller abtrocknet, kommt die Post und bringt eine Zustellung: Die Ladung zur Kriminalpolizei ist aufgehoben.
Knittel tut, als sei das gar nichts. Innerlich rollt ihm ein Berg von der Seele, und das kann man ihm nachfühlen. Vor Erika aber nimmt er das Ereignis zum Anlass, ihr einen kleinen Vortrag zu halten. Einen Vortrag über den Umgang mit Behörden: »Ich bin dahinter gekommen«, doziert er und fuchtelt mit Tuch und Teller durch die Luft, »auf Recht oder Unrecht kommt es da gar nicht an. Die Intelligenz entscheidet, und da kommen die nicht mit. Mit mir jedenfalls nicht. Und wenn man das ein bisschen gerissen anfängt – was liegt denn da noch?« Die Post hat noch eine zweite Zustellung gebracht. Sie ist dicker als die erste und außerdem vom Gericht.
Knittel reißt auf und liest. Sagt kein Wort und liest noch einmal, studiert vorwärts und rückwärts, was er nicht begreifen kann und nicht begreifen will:
»… wegen der Beschuldigung … einen im Eisenbahnzug versteckten Geldbetrag, einem nicht ermittelten Eigentümer gehörig … in der Absicht rechtswidriger Zueignung weggenommen … Beweis: Geständnis … Vergehen gegen § 242 Strafgesetzbuch … auf Antrag der Staatsanwaltschaft … Verhandlungstermin … Schöffengericht Moabit …«
Erika fragt und quält und bekommt keine Antwort. Sie sieht, wie Knittel blaß und rot wird und die Lippen hängen läßt. »Manne, ist dir was? Komm, setz dich hin, oder soll ich dir eine Tasse Milch machen? Oder soll ich mal zum Staatsanwalt gehen, wenn ich mich ein bisschen nett anziehe und vielleicht die Kinder mitnehme –?«
»Sei doch mal ruhig!«
»Hermann, nicht wahr, du hast da was nicht richtig gemacht, gib es doch zu.«
»Ausgeschlossen, ganz ausgeschlossen! Davon verstehst du nichts. lass mich nur weitermachen.«
»Siehste, das haste davon. Jetzt kannste am Ende noch ins Gefängnis kommen. Hättste dich vorher nur richtig erkundigt.«
»Wieso hättste?« knurrt Knittel. »Hättste mit dem Geld nicht so angegeben –«
»Wieso ich«, mault Erika, »wärste mir mit dem blödsinnigen Geld lieber vom Leibe geblieben!«
Siehste wärste hättste kannste! Im Handumdrehen entwickelt sich daraus jener beliebte Dialog, bei dem man sich wechselseitig mit den Fehlern beschäftigt, mit den gemachten natürlich, denn vorher weiß man nicht, ob es welche sind. Und selbstverständlich mit den Fehlern des anderen, die eigenen zu
Weitere Kostenlose Bücher