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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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Fräulein nicht besser rückgängig machen.«
    »Was soll ich?« Herr Moll sieht ihn böse an.
    »Ja, ich dachte, und wo es doch keine Aussicht hat, mein Schwiegersohn ist ein sehr zurückhaltender Mensch, der macht solche Sachen nicht.«
    »Hat aber schon, hat aber schon!« behauptet Moll und wird plötzlich wieder lebhaft. »Ich wollte es Ihnen gerade sagen, ich hatte eben ein Telefongespräch, es ist schon passiert. Was sagen Sie nun?«
    »Das kann ich mir gar nicht vorstellen.«
    »Jawohl, passiert! Bis auf eine Kleinigkeit – gewissermaßen. Jedenfalls, Ihr Fräulein Tochter, ich meine Ihre Frau Tochter wird sich freuen, aber sagen Sie ihr vorläufig nichts davon, sonst kommt die auch noch angelaufen und hat Bedenken.«
    »Ach, das glaube ich nicht«, meint der Oberpostrat; seine Tochter sei nämlich noch verreist und käme erst nach dem Zwanzigsten zurück.
    »Um so besser. Wir Juristen haben es gar nicht gern, wenn die Parteien mit zum Termin kommen, sie reden doch nur dummes Zeug und halten den Betrieb auf, bestreiten, was erwiesen ist, oder geben zu, was sie gar nicht nötig haben. – Übrigens, hier ist noch eine kleine Unkostenrechnung – und alles Weitere, Herr Oberpostrat, überlassen Sie dann getrost der Justiz.«
    ***
    Würdevoll brummt der Autobus die verschlungene Paßstraße empor, durch ein kahles, graugrünes Hochgebirge mit hartem, magerem Gras und seltsam leuchtenden Blumen. Gewaltige Felszinnen, steil wie versteinerte Dome, stehen drohend gegen den Himmel; um ihre Spitzen hängen Wolkenfetzen, hüllen sie ein und geben sie wieder frei.
    Im Anfang einer Reise ist man neu und aufgeschlossen, man bejubelt jede Kuh, die am Wege steht, begeistert sich an jedem Bauernhaus. Hat man sich erst einmal drei Wochen lang mit Naturschönheiten vollgesogen, die von der Reiseleitung in gestufter Steigerung dargereicht werden, dann ist man satt und abgestumpft und nur noch für Spitzenleistungen empfänglich.
    Spitzenleistung der Natur aber ist der Mensch. Er ist vielleicht nicht die schönste, aber gewiß die eigenartigste Erscheinung; man kann sich endlos mit ihr befassen und entdeckt immer wieder neue Seiten.
    Zu dieser Erkenntnis ist auch der Autobus gekommen, er beschäftigt sich mit sich selbst. Aus der buntgewürfelten Reisegesellschaft hat sich endlich die große Familie geformt. Man ist einander näher gerückt, hier und da vielleicht etwas zu nahe; man tritt sich bereits auf die Zehenspitzen.
    Die letzten Schleier fallen. Mengwasser, der Heimliche, hat Herrn Platte anvertraut: »Wissen Sie auch, wer die rätselhafte Dame ist, die sich vom Onkel Regierungsrat den Hof machen läßt?« – »Ne, ich weiß nur, daß er sie heiraten will.« – »Der wird sich wundern!« Mehr ist aus Mengwasser nicht herauszukriegen.
    Frau Mengwasser hingegen sorgt sich mütterlich um Fräulein Hitze: »Paulachen, halten Sie sich mal ein bißchen zurück mit dem Platte, wenn Sie dem vorher schon alles erlauben, dann braucht er Sie nicht mehr zu heiraten.« – »Das weiß ich nicht«, gesteht Paula und läuft rosig an, »aber mein Papa sagt immer, Kind, sagt er, gib dich wie du bist, kein Mensch kauft eine Katze im Sack.« Dabei steckt sie sich ein dickes Praliné in den Mund, von dem Kilo, das ihr Platte, gewissermaßen als Morgengabe, heute geschenkt hat. Sie verteilt es freigebig unter die Menge; auch Pitt, der sich in ihren Schoß gekuschelt hat, bekommt seinen Anteil und leckt sich schnalzend die struppige Schnauze.
    Mittelpunkt der Gesellschaft ist neuerdings der Stille geworden. Es hat sich herumgesprochen, daß er die Reise mitmacht, um darüber ein Buch zu schreiben. Wenn man das Glück hat, einen Schriftsteller kennenzulernen, erwartet man Außergewöhnliches. Ein Schriftsteller hat die Verpflichtung, unentwegt Literatur von sich zu geben, mit Geistesblitzen zu funkeln und für jeden Augenblick des Daseins eine druckreife Formulierung zu finden. Der Stille tut das Gegenteil, er sagt morgens einfach »Guten Morgen« und Abends »Guten Abend« und benimmt sich auch sonst wie ein ganz normaler Mensch. Er ist kein Trinker, schnupft kein Kokain, sogar die Frauen läßt er in Ruhe. Seine einzige Sonderheit besteht darin, daß er zurückhaltend und schweigsam ist. »Das ist ja gerade das Raffinierte«, belehrt der Missvergnügte, »ich kenne diese Brüder, die sparen sich alles für ihre Bücher auf, da kriegen sie es nämlich bezahlt. Und nicht zu knapp!«
    Trotzdem ist der Autobus stolz auf seinen Dichter.

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