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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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es ihm leid. Aber nüchtern besehen: Von dem hochgestochenen Staatsanwalt von Treskow würde er sie nie bekommen; der gestrandete Beamte würde mit sich reden lassen. Ein hässlicher Gedanke kroch ihn an; er spielte mit ihm, jonglierte mit Möglichkeiten und malte sich die Wirkung aus, verrannte sich tiefer hinein, und ehe er sich recht klar darüber war, hatte er den Wärter gerufen.
    Er habe eine wichtige Aussage zu machen und bitte um seine sofortige Vernehmung.
    Jetzt wird er tun, was eigentlich von vornherein seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit als Zeuge und Staatsbürger gewesen wäre.
     – Nach Stunden, gegen halb fünf, kam ein Beamter.
    »Ich habe es mir anders überlegt«, sagt Rabanus, »Sie können wieder gehen. Ich mache keine Aussage.«
    »Aussage? Wieso Aussage? Ich sollte Ihnen mitteilen, daß der Haftbefehl aufgehoben ist. Sie können nach Hause gehen.«
    Als Rabanus fort ist, entdeckt man auf der Wand der Zelle eine seltsame Zeichnung: Sein Selbstporträt – mit einem Maulkorb.
    ***
    Wimm und Bätes hatten Hand in Hand, wie zwei glückliche Kinder, das Justizgebäude verlassen, aber sie gingen nicht nach Haus. Freudige Ereignisse werden begossen. Dreitausend Mark, die bevorstehen, sind ein freudiges Ereignis.
    Der Bätes soll einen ausgeben. Meint der Wimm.
    Nein, der Wimm muß einen ausgeben, meint der Bätes.
    Wer muß? Wer das bessere Geschäft macht. Darüber sind sie sich einig.
    Wer macht das bessere Geschäft? Darüber geraten sie in die Wolle, stehen an der Straßenecke und diskutieren.
    Natürlich der Wimm. Der hält bloß das Händchen auf und geht spazieren und hat keine Arbeit davon, und der Bätes muß sitzen. Nein, der Bätes! Er sitzt faul im Kasten und frisst sich fett auf Staatskosten, während der arme Wimm draußen sein Geld aufzehrt.
    Sie kämpfen mit dicken Köpfen und scharfen Argumenten. Nicht aus Geiz, nicht aus Prinzip: sondern weil keiner einen Pfennig in der Tasche hat. Als sie es gegenseitig feststellen, ist die alte Freundschaft wieder da. Man muß das Fest vertagen, bis das viele Geld kommt.
    Wer wird es abholen? Natürlich der Wimm, das geht nicht anders. Und der muß es verwahren, bis der Bätes aus dem Kittchen kommt.
    Bätes wird nachdenklich. Er hat mit Geld noch nie zu tun gehabt und infolgedessen zu den Menschen ein paradiesisches Vertrauen. Reichtum macht mißtrauisch. Er hat Angst, der Wimm könnte das Geld verlieren, oder es möchte ihm gestohlen werden, oder was sonst alles passieren kann. Wimm soll das Geld in Verwahr geben.
    Vielleicht auf eine Bank, meint der Bätes.
    Wimm ist dagegen. Die Bank könnte krachen.
    Oder auf die Städtische Sparkasse?
    Wimm schüttelt den Kopf. Er weiß nicht, wo sie ist.
    Oder einem Freund geben?
    Wimm zieht ein saures Gesicht. Für soviel Geld ist keine Freundschaft gut. Und wo die Menschen so schlecht sind!
    Dann soll er es zum Herrn Pastor bringen.
    Wimm hat zum Herrn Pastor keine Beziehungen, und der würde ihn vielleicht ausfragen, und den Herrn Pastor könne er nicht belügen. »Ich weiß auch nit, wat dat soll. Dat Jeld is bei mich sicher wie Jold. Ich bin loßledig, ich han kein Ahl, die mich drüber jeht. Ich stopp dat Jeld unger de Matratz un stonn Tag un Nacht nit meh upp.«
    So stehen sie an der Ecke und fechten, daß die Leute stehen bleiben. Bätes besteht auf Pastor, Wimm auf Matratze. Schließlich spielt Bätes seinen großen Trumpf aus. Die Herren am Gericht waren so freundlich zu ihm, er weiß, was er wert ist. »Wimm, dat will ich dich sage, ich bin de Hauptperson, ohne mich jeht et nit, un du bis ene Dreck. Und wenn de mich dumm kömms, dann jeh ich einfach nit in der Termin. Dann tret ich in Streik. Verstehste dat?«
    Wimms Augen funkeln grün und giftig. »Wetten, Bätes, dat du im Termin bis?«
    »Wetten dat nit?«
    »Wetten dat doch!«
    Kinder stehen herum. Sie hoffen auf eine Schlägerei. Man glaubt gar nicht, wieviel Kinder es gibt, kleine und große. Sie wachsen aus der Erde.
    Es wird eine Enttäuschung. Wimm und Bätes bewahren Haltung.
    »Du Laumann!«
    »Du Drecksack!«
    »Pennes!«
    »Aaschloch!«
    Nach verschiedenen Seiten ab.
    ***
    Am nächsten Morgen meldete sich die gutsituierte Dame von neuem. In Glanz und Glacé und grell und wohlriechend wie beim ersten Mal, vielleicht noch eine Kleinigkeit situierter und genau zehnmal so aufgeregt. Mit einer widerspruchslosen Selbstverständlichkeit marschiert sie geradezu in Mühsams Zimmer und überfällt den Nichtsahnenden und läßt ihn

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