Heinrich Spoerl
fahre, beim Bäcker lecker Teilches hole, mer brauch nit auf de Arbeit un is reich, un alle Leut müssen einem jrüßen.«
Schlaraffenland – Weihnachten – Himmel. Sie sind Engelchen, und Bätes ist der liebe Gott.
Es klopft. Hart, soldatisch.
»Is dat schon dat Jeld, Papa?«
Nein, es ist ein Polizist. Und noch einer.
»Sind Sie der Gelegenheitsarbeiter Albert Schmitz?«
Die Kinder verstecken sich hinter die Mamma, glücklicherweise ist sie breit genug. Polizei ist für die Kinder der schwarze Mann, damit werden sie gebändigt, in den Schlaf gejagt. Polizei kommt, wenn man unartig ist. War der Papa denn unartig?
Bätes weiß, er soll zur Vernehmung. Aber weswegen kommen sie zu zweit? Es geht den Beamten schwer von der Zunge: Er soll sich von seiner Familie verabschieden, er wird vorläufig nicht wiederkommen. Haftbefehl.
Bätes ist keineswegs erschüttert. Im Gegenteil, das ist ein sicheres Zeichen, die Sache geht also voran. Die dreitausend Mark sind unterwegs. Die Kinder glauben an ihn, sie glauben alles, was schön ist. Bloß die Frau weiß nicht, was sie davon halten soll, und ringt die seifigen Hände. »Da Doll, wat hätt da nu widder jemacht?«
Bätes nimmt Abschied von seinem Volk; es ist eine lange Reihe. Sie begreifen es nicht, er selbst vielleicht auch nicht. Er ist ein Märtyrer und Held. Nur Frau Bätes jammert: »Is dat nu nödig? Is dat nu nödig?« Und dem Bätes fällt plötzlich ein: Der Staatsanwalt hat doch gesagt, er würde ihn nicht verhaften.
»Ja, da Sie Anstalten zur Flucht machen –«. klären ihn die Beamten auf.
»Wat? Wer sagt dat von mich?«
»Der Sie angezeigt hat. Offenbar ein guter Freund.«
»Da Filu da! Dat Ferkel! Ich hau ihm zu Rajuh!« Und da er den Wimm nicht leibhaftig zur Hand hat, nimmt er statt seiner den nächstbesten Stuhl und knallt ihn zu Brennholz. Die beiden Polizisten können ihn nicht bändigen. Erst als Mutter Bätes ihm von der Seite einen missbilligenden Blick zuwirft, wird er zahm und verständig und läßt sich abführen.
Und fasst seine Gefühle dahin zusammen: »Da Wimm, da kritt noch Freud an mich, da fiese Mopp, da Labbes da! Ich widerrufe alles beim Jericht, und da kritt hä keine rosige Pfenning. – Däh!« Inzwischen belagert Wimm die Gerichtskasse.
Ob er denn endlich die Belohnung bekäme?
Erst nach der Verurteilung.
Oder wenigstens einen Vorschuss.
Vielleicht mal fürs erste tausend Mark?
Oder hundert? – Oder drei?
***
Rabanus hatte die Einladung zum Butterbrot erhalten und prompt darauf auch die Ausladung. Höflich und ein wenig deutlich. Dann war es aus. Trude unsichtbar, wie fortgeblasen. Brief unbestellbar, das Haus eine Festung.
Rabanus tat, was er immer tat, wenn ihm etwas quer ging: Er versuchte, sich etwas weiszumachen. Kein Zustand ist von ewiger Dauer. Alles geht vorüber; man muß warten können.
Warten können heißt: So lange etwas anderes tun. Rabanus stürzte sich in Arbeit. Es war Arbeit aus Wut, Sie wurde danach. Alles, was er anfing, kam grell, verkrampft, verbogen. Im Spiegel seiner Arbeit sah er, was mit ihm los war, und fand langsam den Mut, den Dingen ins Gesicht zu sehen.
Das war es: Ein kleines dummes Mädchen hatte ihn geprellt. Solange er gefährlich schien, war er gut genug. Nun, wo er den Karren aus dem Dreck gefahren hat, gibt man ihm den Eselstritt. Es war seine Schuld, seine überhebliche Bescheidenheit und lächerliche Rücksicht: Er wollte das Mädchen vor Konflikten bewahren und ihm den Glauben an den Herrn Papa wiedergeben. Er hätte besser getan, seine Rettungsaktion mit Wimm und Bätes zu offenbaren. Jetzt hatte er keine Gelegenheit mehr.
Übrigens fand er, daß ihm die Rolle des abgestellten Liebhabers nicht zu Gesicht stand. Sie steht keinem.
Das beste Mittel gegen Liebe ist Hass. Liebe verlangt Gegenliebe, Hass läßt sich einseitig bewerkstelligen. Rabanus hatte eine suggestive Art zu reden. Er redete es sich selbst so lange vor und redete sich tiefer hinein, bis er es schließlich glaubte, und der gewünschte Hass war fertig. Ein schöner Hass, ein heißer Hass, mit Verachtung durchzogen und mit Rachegedanken verziert. Er hatte seine psychologische Freude daran. Gewiß, wenn er sich selbst hinter die Karten guckte, und das konnte er nie lassen, so war es kein naturgewachsener, sondern ein gezüchteter Kunsthass. Immerhin, Hass bleibt Hass. Und basta.
Daran, daß er durch seine geheime Wimm-Bätes-Aktion sich selbst und seine nächtliche Beobachtung Lügen gestraft hatte,
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